Die Werte dieses „Sicherheitsaudits“ sind bemerkenswert gut für eine Großstadt, sagten die Forscher bei der Vorstellung ihrer Ergebnisse im Verwaltungsausschuss der Stadt Stuttgart am Mittwoch, 23. Oktober. Den Vergleich erlaubt ein standardisierter Fragenkatalog, den die beiden Kooperationspartner bereits in etlichen Städten in Baden-Württemberg eingesetzt haben. Verantwortlich für das Audit zeichnen das Institut für Kriminologie (IfK) der Universität Heidelberg und das Institut für Kriminologische Forschung Baden-Württemberg (KriFoBW) in Villingen-Schwenningen.
Dr. Clemens Maier, Bürgermeister für Sicherheit und Ordnung„Es ist die erste Umfrage dieser Art in Stuttgart. Wir wollten das subjektive Sicherheitsgefühl ergründen und Ursachen dafür in Erfahrung bringen. Ziel ist es, unser Konzept der Prävention auf den Prüfstand zu stellen, es so zu verbessern, dass wir das sichere Zusammenleben hier in Stuttgart weiter ausbauen.“
Dr. Egon Wachter vom Institut für Kriminologische Forschung Baden-Württemberg sagt: „Wer von den Befragten Maßnahmen der Stadt zur Prävention kennt, hat sie meist gut bewertet; aber vielen sind sie einfach nicht bekannt. Dabei gilt: Wer von wirksamen Maßnahmen weiß, fühlt sich bereits sicherer, ohne sie selbst genutzt zu haben. Dies stärkt auch das Vertrauen in die Institutionen.“
Die Forscher sehen Verbesserungsbedarf bei der Sichtbarkeit vorhandener Maßnahmen der Kriminalitätsprävention. Sie empfehlen mehr Engagement gegen Grenzüberschreitungen und Respektlosigkeit im Alltag. Auch Hate-Crime, also Feindseligkeiten gegenüber Bevölkerungs- oder Berufsgruppen (etwa Feuerwehr oder Polizei), solle stärker in den Fokus genommen werden.
Fast 10.000 Personen nahmen an Befragung teil
Für die ungewöhnlich umfassende Befragung waren 50.000 repräsentativ ausgewählte Stuttgarterinnen und Stuttgarter Ende 2023 angeschrieben worden; fast 10.000 antworteten – eine nach Angaben der Forscher beachtliche Quote, die Aufschluss bis in einzelne Stadtbezirke erlaubt.
Ziel der Studie war es, die Erkenntnisse der gängigen Kriminalitätsstatistik zu ergänzen. „Das Sicherheitsgefühl empirisch zu erheben, ist von enormer Bedeutung für die Kommunalpolitik. Sonst ist die Präventionsarbeit im Blindflug unterwegs“, sagt Prof. Dieter Hermann vom Heidelberger Institut für Kriminologie.
Eine zentrale Erkenntnis der Studie: Nur 14 Prozent der Befragten fühlen sich in ihrem Stadtbezirk „ziemlich oder sehr unsicher“. Die Autoren geben zu bedenken, dass auch nationale und internationale Krisen zu einer allgemeinen Verunsicherung führen, die sich im Alltag niederschlägt: „Durch Krisenangst fielen die zum Jahresende 2023 in Stuttgart erhobenen Werte – zum Beispiel durch den Ukraine-Krieg und den Nahost-Konflikt – etwas höher aus, als es die lokale Lage rechtfertigt“, sagt Prof. Hermann.
Auffällig ist, dass die Innenstadt vor allem bei jenen Befragten einen schlechten Ruf hat, die sich dort selten oder nie aufhalten (24 Prozent). In der Vergleichsgruppe, also bei Personen die täglich oder zumindest ein paar Mal pro Jahr in der Innenstadt bei Tag unterwegs sind, liegt dieser Anteil bei 11 Prozent.
Große Unterschiede in den Stadtbezirken
Die Analyse zeigt, dass die Furcht vor Kriminalität in Stuttgart-Mitte, Bad Cannstatt und Zuffenhausen besonders hoch ist. Die Ursachen dafür liegen zum Teil in jeweils anderen Stadtbezirken. Zum Beispiel führen bei den Befragten aus Bad Cannstatt insbesondere Drogenkonsumierende im Leonhardsviertel und die Situation am Oberen Schlossgarten und Schlossplatz zu Kriminalitätsfurcht. Die Befragten aus Zuffenhausen nennen Drogenkonsumierende am Vorplatz des Bahnhofs Bad Cannstatt und im Leonhardsviertel als Grund für ihre Furcht vor Kriminalität.
Tatsächlich ist eine wichtige Erkenntnis der Auswertung, dass nicht Straftaten und Gewalt die wesentliche Rolle bei dem Entstehen von Furcht spielen. Vor allem nähren respektloses und rücksichtsloses Verhalten im Alltag die Sorge, dass, wenn die Regeln des sozialen Umgangs miteinander missachtet werden, allmählich ein gesetzloser Raum entsteht. Sich häufende Provokationen wie Pöbeleien und Belästigung im öffentlichen Raum, vermüllte Parks oder selbst deutlich behindernd abgestellte Fahrzeuge können eine grundsätzliche Verunsicherung befördern. Laut Studie verspüren junge Frauen in Stuttgart weit mehr Furcht vor Kriminalität als ältere Frauen. Bei Männer liegt der Grad der Furcht deutlich niedriger, nimmt aber mit dem Alter zu.
Vorschläge für Maßnahmen aus Bevölkerung und Forschung
Die im Auftrag der Landeshauptstadt durchgeführte Sicherheits-Befragung bot auch die Möglichkeit, eigene Vorschläge zu machen. Die Anregungen bezogen sich meist auf das ganze Stadtgebiet. Die Kriminologen raten, konkret in den Bezirken Mitte, Bad Cannstatt und Zuffenhausen die kriminalpräventiven Maßnahmen zu intensivieren sowie in Zuffenhausen und Mitte die Gewaltprävention auszubauen. In Zuffenhausen könnte nach ihrer Meinung eine sichtbarere Präsenz des Städtischen Vollzugsdienstes das Sicherheitsgefühl stärken. Die Beteiligung von Kindern, Seniorinnen und Senioren oder Frauen an Sicherheitsbegehungen in ihrem Wohnumfeld dürfte gute Anregungen bringen und das Vertrauen in die Institutionen vertiefen.
Die Fraktionen werden die Ergebnisse der Studie im Ältestenrat besprechen und darüber entscheiden, wie der Gemeinderat damit weiter umgehen wird.
Zum Sicherheitsaudit
Das Audit fand vom 15. November bis 31. Dezember 2023 statt. Von 535.263 Stuttgarterinnen und Stuttgartern über 14 Jahren wählte die Stadtverwaltung 50.000 nach repräsentativen Kriterien aus. Davon schickten 9.771 den ausgefüllten Fragebogen zurück (Quote: 20,6 Prozent). Die Fragen deckten in erster Linie die persönliche Sicht der Befragten ab zu den Themenkreisen Sicherheitsgefühl, Lebensqualität, Problemwahrnehmung, Opferwerdung und Wertschätzung. Die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung erfolgte über das Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg und das Institut für Kriminologische Forschung Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen.