Hegel-Preis 2024 für Professor Dr. Orlando Patterson
Mit dem Hegel-Preis 2024 der Landeshauptstadt Stuttgart wird Professor Dr. Orlando Patterson ausgezeichnet. Die Landeshauptstadt Stuttgart würdigt damit einen der bedeutendsten Soziologen unserer Zeit, der mit seinen Analysen und Theorien auch in der Philosophie tiefe Spuren hinterlassen hat.
Orlando Patterson ist Professor für Soziologie an der renommierten Harvard University in den USA. In den Vereinigten Staaten, aber auch weit darüber hinaus, ist er einer der wichtigsten wissenschaftlichen Kommentatoren politischer und sozialer Verhältnisse, welche im Zusammenhang mit strukturellem Rassismus stehen.
Preisverleihung
Die Preisverleihung wird am 12. Dezember 2024 im Rathaus der Landeshauptstadt Stuttgart stattfinden. Hier können Sie sich anmelden:
Biographie von Orlando Patterson
Orlando Patterson, geboren am 5. Juni 1940, ist ein jamaikanisch-amerikanischer Historiker und Soziologe und bekleidet den John Cowles Lehrstuhl für Soziologie an der Harvard University. Er ist bekannt für seine Arbeiten zur Geschichte von Sklaverei in den USA und Jamaika sowie zur Soziologie der Entwicklung. Sein 1991 erschienenes Buch "Freedom in the Making of Western Culture" wurde mit dem US National Book Award für Sachliteratur ausgezeichnet.
Er hatte zuvor Fakultätspositionen an der University of the West Indies und an der London School of Economics inne, wo er auch seinen Ph.D. erhielt. Seine akademischen Interessen umfassen die Kultur und Praktiken der Freiheit, die vergleichende Studie von Sklaverei sowie die kulturelle Soziologie von Armut. Professor Patterson ist Autor zahlreicher akademischer Artikel und sechs bedeutender wissenschaftlicher Bücher, darunter "Slavery and Social Death" (1982), "Freedom in the Making of Western Culture" (1991), "The Ordeal of Integration" (1997) und "The Cultural Matrix: Understanding Black Youth" (2015).
Professor Patterson war acht Jahre lang Sonderberater für Sozialpolitik und Entwicklung beim jamaikanischen Premierminister Michael Manley. Er war Gründungsmitglied von Cultural Survival, einer der führenden Interessenvertretungen für die Rechte indigener Völker und mehrere Jahre lang Vorstandsmitglied von Freedom House, einer bedeutenden zivilgesellschaftlichen Organisation zur Förderung von Freiheit und Demokratie weltweit. Der Autor von drei Romanen hat auch viel in Meinungsjournalen und der nationalen Presse veröffentlicht, insbesondere in der New York Times. Seine Kolumnen erschienen auch in Time Magazine, Newsweek, The Public Interest, The New Republic und The Washington Post.
Er ist Träger zahlreicher Auszeichnungen, wie dem National Book Award für Sachliteratur, den er 1991 für sein Buch über Freiheit erhielt und dem Distinguished Contribution to Scholarship Award der American Sociological Association. Er ist Mitgewinner des Ralph Bunche Award für das beste Buch über Pluralismus von der American Political Science Association. Zudem erhielt er den Anisfield-Wolf Book Award für sein Lebenswerk. Er hat Ehrendoktortitel von mehreren Universitäten, darunter die University of Chicago, UCLA und La Trobe University in Australien. 1999 wurde ihm vom jamaikanischen Staat der Order of Distinction verliehen. Professor Patterson ist seit 1991 Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.
Auszeichnungen und Preise (Auswahl)
- 2020: Order of Merit, Jamaika
- 2016: Anisfield-Wolf Book Award, Lifetime Achievement
- 2015: Gold Musgrave Medal
- 1997: Walter Channing Cabot Faculty Prize, Harvard
- 1991: National Book Award, Non-Fiction
- 1983: Walter Channing Cabot Faculty Prize, Harvard
- 1983: Ralph Bunche Award von der Howard University für das beste wissenschaftliche Werk über Pluralismus (Mitgewinner): American Political Science Association
- 1983: Distinguished Contribution to Scholarship (ehemals Sorokin Prize): American Sociological Association
- 1965: Best Novel in English (The Children of Sisyphus): Dakar Festival of Negro Arts
Begründung der Jury
Orlando Patterson ist Professor für Soziologie an der renommierten Harvard University in den USA. In den Vereinigten Staaten, aber auch weit darüber hinaus, ist Patterson einer der wichtigsten wissenschaftlichen Kommentatoren politischer und sozialer Verhältnisse, welche im Zusammenhang mit strukturellem Rassismus stehen. Das zentrale Thema seiner Forschungen ist die Sklaverei, wobei er sich sowohl mit der Geschichte derselben als auch deren Bedeutung für die Gegenwart intensiv auseinandersetzt. Patterson fragt vor allem nach der „Soziologie“ der Sklaverei und meint damit nicht nur Werte, Überzeugungen und symbolische Darstellungen, sondern auch die Praktiken, den Habitus und solche Einstellungen, die die Grundlage und Wirklichkeit von Institutionen bestimmen. Damit kommt Pattersons Verständnis von Soziologie oder „culture“, wie er es ausdrückt, dem Hegel‘schen Begriff der Sittlichkeit sehr nahe. Ganz im Hegel‘schen Sinne fragt Patterson nach der Sklaverei als kulturelle Praxis und den Bedingungen ihrer ständigen Reproduktion.
Dieses Interesse zeigt exemplarisch und eindrucksvoll das bedeutende Werk Pattersons, ohne das die gegenwärtigen Diskussionen über Postkolonialismus, strukturellen Rassismus und postabolitionistische Verhältnisse nicht denkbar sind: „Slavery and Social Death. A Comparative Study“. Patterson sagt 1982 in diesem Buch, dass ein versklavter Mensch „sozial tot“ ist, dass er keine Existenz in der sozialen Wirklichkeit als eine symbolische normative Ordnung hat. Dieser soziale Tod kann als Radikalisierung und Vertiefung von Hegels Analyse von Verhältnissen der Nicht-Anerkennung verstanden werden.
Mit Hegel verbindet Patterson auch das Interesse an der Freiheit, wobei Patterson die Frage aufwirft, inwieweit die Freiheit nur aus der Erfahrung ihrer Negation – der Sklaverei – geboren wurde. Diese These entfaltet Patterson in seinem zweiten großen Werk: Freedom (1991).
Demnach ist Freiheit nicht gegeben oder gar eine natürliche Eigenschaft des Menschen. Ganz hegelianisch wird Freiheit bei Patterson zum kollektiven, geteilten Bewusstsein der (unendlichen) Wichtigkeit der Freiheit und der Begriff der Freiheit wird zu dessen Voraussetzung.
Bemerkenswert ist, wie Orlando Patterson mit seinen Untersuchungen und seinen Fragen weit über den Bereich enger akademischer Wissenschaft wirkt und die Grenzen innerakademischer Fachdiskussionen überwindet. Vielfach sind Pattersons Forschungen und Thesen auch in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert worden. Er selbst gehört zu den profiliertesten Denkern in der amerikanischen Öffentlichkeit.
In seinem Werk stellt Patterson grundsätzliche Fragen zu Rassismus und sozialer Ungerechtigkeit und hat damit die Entwicklung der Geisteswissenschaften entscheidend geprägt. Darin sieht die Jury eine Leistung, die es aufgrund ihrer außerordentlichen Eigenständigkeit und Güte verdient, mit dem Hegel-Preis der Stadt Stuttgart ausgezeichnet zu werden.
Über den Hegel-Preis
Geschichte
Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat am 8. Juni 1967 in Würdigung der Bedeutung ihres großen Sohnes Georg Wilhelm Friedrich Hegel den Hegel‐Preis gestiftet.
Er wird alle drei Jahre an Persönlichkeiten verliehen, die sich um die Entwicklung der Geisteswissenschaften im weiten Sinne verdient machen oder gemacht haben.
Die Auszeichnung ist mit 12.000 Euro dotiert. Über die Verleihung entscheidet eine Jury. Eine Bewerbung ist nicht möglich. Der Hegel‐Preis gilt international als eine der wichtigsten philosophischen Auszeichnungen.
Die Jury
Der Jury gehören 4 Fachleute an. Diese sind: Dr. Amrei Bahr Junior Professorin für Philosophie am Institut für Philosophie der Universität Stuttgart, Prof. Dr. Dina Emundts, Präsidentin der Internationalen Hegel-Vereinigung und Professorin für Geschichte der Philosophie am Institut für Philosophie der Freien Universität zu Berlin, Jürgen Kaube Mit-Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und dort zuständig für das Feuilleton und Prof. Dr. Christoph Menke, Lehrstuhl für Praktische Philosophie mit Schwerpunkt Politische Philosophie und Rechtsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt.
Der Jury gehörten außerdem: Dr. Christine Lehmann, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Jürgen Sauer, CDU, Jasmin Meergans, SPD und Stefan Urbat, Die FrAKTION.
Stimmberechtigt ist ferner die Kulturamtsleitung, derzeit Marc Gegenfurtner. Vorsitzender oder Vorsitzende der Jury ist der Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin, zurzeit Dr. Frank Nopper oder in seiner/ihrer Stellvertretung der/die für den Kulturbereich zuständige Beigeordnete, zurzeit Dr. Fabian Mayer.
Alle Preisträger*innen
Elena Kaifel
Anschrift & Erreichbarkeit
Anschrift
Eberhardstraße 61
70173 Stuttgart
Anfahrt
Anschrift
Eberhardstraße 61
70173 Stuttgart