Bürgerbegehren zu S21 rechtlich nicht zulässig (Dezember 2007)
Der damalige Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster hat am 13. Dezember 2007 gemeinsam mit dem Bürgermeister für Recht, Sicherheit und Ordnung, Dr. Martin Schairer, die Ergebnisse der Unterschriftenprüfung und der juristischen Prüfung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens zu Stuttgart 21 vorgestellt. Demnach wurde die notwendige Zahl von 20.000 Unterschriften Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger erreicht und sogar deutlich überschritten. Das Bürgerbegehren ist jedoch rechtlich nicht zulässig.
Zu diesem Ergebnis kommen übereinstimmend die Rechtsanwälte Prof. Dr. Klaus-Peter Dolde und Dr. Winfried Porsch von der Kanzlei Dolde & Partner sowie Prof. Dr. Franz-Ludwig Knemeyer von der Universität Würzburg. Die Voraussetzungen nach der Gemeindeordnung liegen demzufolge nicht vor. Die Gutachter waren von der Stadt mit der juristischen Prüfung des Antrags auf Durchführung eines Bürgerentscheids beauftragt worden.
Grundlage für Vorlage an Gemeinderat
Die Ergebnisse der Unterschriftenprüfung und der juristischen Gutachten bilden die Grundlage für eine Vorlage an den Gemeinderat. Entsprechend der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg wird der Gemeinderat in seiner Sitzung am 20. Dezember 2007 entscheiden, ob das Bürgerbegehren zulässig ist.
„Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen der Gemeindeordnung für die Durchführung eines Bürgerentscheids nicht vorliegen“, so das Fazit der Gutachter. Und weiter: „Nachdem das Bürgerbegehren nicht zulässig ist, empfehlen wir dem Gemeinderat, das Bürgerbegehren abzulehnen. Es besteht kein Ermessensspielraum, ob ein Bürgerentscheid sinnvoll ist oder nicht, sondern es geht bei der Frage der Zulässigkeit um eine reine Rechtsfrage.“
Gegenstand des Bürgerbegehrens sind fünf Teilfragen, die zu einer einheitlichen Fragestellung verbunden werden, die die Gutachter in den vergangenen Wochen auf ihre Zulässigkeit geprüft haben. So geht es in der ersten Teilfrage um den „Ausstieg der Stadt Stuttgart aus dem Projekt Stuttgart 21“. Die zweite Teilfrage behandelt die Ergänzungsvereinbarung zwischen der Stadt und den anderen Projektpartnern. In Teilfrage drei soll eine Änderung der Kaufverträge der Stadt mit der Deutschen Bahn verhindert werden.
Die vierte Teilfrage des Bürgerbegehrens soll erwirken, dass die Stadt Stuttgart „keine weiteren Verträge über dieses Projekt abschließt.“ In der letzten Teilfrage werden die Unterzeichner gefragt, ob sie dafür sind, dass „dies den Vertragspartnern mit dem Ziel des Abschlusses einer Aufhebungsvereinbarung mitgeteilt wird.“
Die Gutachter sehen alle fünf Teilfragen und damit das gesamte Begehren als unzulässig an. So heißt es im Gutachten von Dolde & Partner: „Bei Bürgerbegehren, die mehrere Fragestellungen zu einer einheitlichen Frage koppeln, betrifft die Unzulässigkeit einer der Teilfragen das gesamte Bürgerbegehren; es ist insgesamt unzulässig. Selbst wenn man abweichend von der hier vertretenen Auffassung, zum Beispiel die Teilfrage nach dem Verbot des Abschlusses weiterer Verträge für inhaltlich hinreichend bestimmt hält, wäre das Bürgerbegehren, das einheitlich auf einen ,Ausstieg' gerichtet ist, insgesamt unzulässig.“
Entscheidung des Stuttgarter Gemeinderats
Der Stuttgarter Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 20. Dezember den Antrag für einen Bürgerentscheid zum Ausstieg aus dem Projekt Stuttgart 21 aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Die Fraktionen von CDU, SPD, Freien Wählern und FDP stimmten geschlossen gegen den Antrag. Grüne und die Stadträte der Republikaner, Linken und SÖS stimmten dafür.
- Rechtsanwälte Dolde und Partner: Gutachterliche Stellungnahme zum Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21PDF-Datei239,96 kB
- Rechtsanwälte Dolde und Partner: Gutachterliche Stellungnahme zum Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 - KurzfassungPDF-Datei84,55 kB
- Gutachten Prof. Knemeyer: Stuttgart 21 - Bürgerbegehren unzulässigPDF-Datei41,64 kB
- Gemeinderatsvorlage GRDrs 1395/2007 zum Bürgerbegehren Stuttgart 21PDF-Datei460,86 kB
Schlichtungsgespräche (Oktober bis November 2010)
Am Freitag, 15. Oktober 2010, war es Schlichter Heiner Geißler erstmals gelungen, die Spitzenvertreter von Befürwortern und Gegnern des Projekts Stuttgart 21 im Rathaus um einen Tisch zu versammeln.
Acht Schlichtungsgespräche fanden in den beiden Monaten im Stuttgarter Rathaus statt plus ein Abschluss der Schlichtung.
Antrag Bürgerbegehren „Ausstieg der Stadt aus dem Projekt S21“ (März 2011)
Am 21. März 2011 haben Vertrauensleute des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 und Juristen zu Stuttgart 21 mehr als 35.600 Unterschriften an OB a.D. Prof. Dr. Wolfgang Schuster übergeben mit dem Antrag, einen Bürgerentscheid zu folgender Frage durchzuführen:
„Soll die Stadt Stuttgart ihre Mitgliedschaft im Projekt Stuttgart 21 förmlich beenden, indem sie folgende Maßnahmen ergreift? Die Stadt Stuttgart beruft sich gegenüber den Projektpartnern auf die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung und kündigt die Projektverträge. Sie unterlässt weitere Beitragszahlungen zum Projekt. Projektverträge in diesem Sinne sind: Gemeinsame Erklärung und Finanzierungsvertrag vom 02. April 2009, Ergänzungsvereinbarung vom 05. Oktober 2007. Memorandum of Understanding vom 19. Juli 2007, Eckpunktepapier vom 19. Juli 2007, Ergänzungsvereinbarung vom 24. Juli 2001, Rahmenvereinbarung vom 07. November 1995."
Verfahrensstand
Der Gemeinderat hat am 09. Juni 2011 festgestellt, dass das Bürgerbegehren insbesondere deshalb unzulässig ist, weil es ein rechtswidriges Ziel verfolgt. Die Stadt ist der Auffassung, dass sie keine rechtliche Möglichkeit hat die Verträge zu kündigen, eine - unzulässige - Mischfinanzierung liegt nicht vor. Bei Stuttgart 21 handelt es sich um ein Verkehrs- und Städtebauprojekt. Die finanzielle Beteiligung der Stadt hat ihren maßgeblichen Grund in der sich vor allem im Gebiet Rosenstein aus dem Projekt ergebenden städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten.
Die Vertrauensleute haben gegen den Ablehnungsbescheid der Stadt Widerspruch eingelegt, diesen hat das Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheid vom 15. August 2012 zurückgewiesen.
Gegen diese Bescheide haben die Vertrauensleute das Verwaltungsgericht angerufen. Sowohl das Verwaltungsgericht Stuttgart (in erster Instanz) als auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (in zweiter Instanz) haben die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt und die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass das Grundgesetz es nicht verbietet, dass Bund, Länder und Gemeinden bei komplexen Infrastrukturprojekten zusammenarbeiteten und die Kosten nach dem Anteil ihrer Aufgabenwahrnehmung teilen.
Mit dieser Entscheidung wurde auch die Haltung der Stadt bestätigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen. Am 16. Juni 2016 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Revisionen unbegründet sind. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt keine Rechte der Kläger.
- Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, 16. Juni 2016 (AZ: 10 C 7/15) (Öffnet in einem neuen Tab)
- Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, 21. April 2015 (AZ: 1 S 1949/13) (Öffnet in einem neuen Tab)
- Beschlussvorlage des Gemeinderats: Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21, Entscheidung über ZulässigkeitPDF-Datei53,84 kB
- Stellungnahme zum Bürgerbegehren der Kanzlei Dolde, Mayen & PartnerPDF-Datei57,75 kB
- Gutachterliche Stellungnahme zum KonnexitätsprinzipPDF-Datei139,04 kB
Präsentation Stresstest S21 (Juli 2011)
Unter der Regie von Schlichter Dr. Heiner Geißler fand am 29. Juli 2011 die Präsentation des Stresstests zu dem im Rahmen von Stuttgart 21 geplanten Tiefbahnhof statt.
Filder-Dialog S21 (Juli 2012)
Mit einer mehrheitlichen Empfehlung zum Erhalt der Gäubahn für Züge aus dem Süden zum Hauptbahnhof Stuttgart, ist der sogenannte Filder-Dialog S21 für eine optimale Anbindung des Bahnprojekts Stuttgart 21 an den Landesflughafen am 7. Juli 2012 zu Ende gegangen.
In einer gemeinsamen Erklärung antworteten die Projektpartner den Empfehlungen der Dialog-Teilnehmer. Danach soll die "Variante?4 „Flughafenbahnhof unter der Flughafenstraße“ vertieft geprüft werden.
Eine Arbeitsgruppe werde sich „damit befassen, ob und wenn ja mit welchem Nahverkehrskonzept die Gäubahn im Abschnitt Rohrer Kurve bis Feuerbach langfristig genutzt werden könnte.“
Zum Abschluss betonten die Projektpartner - Land, Deutsche Bahn, Stadt und Region Stuttgart - das Bürgerbeteiligungsverfahren habe einen wichtigen Anstoß zur Überarbeitung der Planung geleistet. Gleichzeitig dankten sie allen Teilnehmern am Filder-Dialog für die vielen konstruktiven und differenzierten Empfehlungen sowie für ihren großen Einsatz und das hohe Maß an persönlichem Engagement.
Stellungnahme der Stadt Stuttgart zu den Planungen der Bahn im Filderbereich (Dezember 2013)
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens für die Aus- und Neubaustrecke Stuttgart-Wendlingen hat die Stadt ihre Stellungnahme an das Regierungspräsidium Stuttgart geschickt. Auf die darin enthaltenen Forderungen hatte sich der Ausschuss für Umwelt und Technik geeinigt.
Gemeinderat lehnt zwei Anträge auf Bürgerentscheide zu S21 ab (Juli 2015)
Bürgerbegehren „Storno 21“
Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat in seiner Sitzung am Donnerstag, 2. Juli 2015, den Antrag auf Zulassung eines Bürgerentscheids "zum Ausstieg der Stadt Stuttgart aus Stuttgart 21 wegen grundlegend neuer Lage" (genannt "Storno 21") mit 41 gegen 15 Stimmen abgelehnt.
Am Mittwoch, 17. Dezember 2014, wurden die Unterschriftenlisten für das Bürgerbegehren „Storno 21“ übergeben. Der Gutachter der Stadt, Professor Christian Kirchberg, war laut Gemeinderatsdrucksache zu dem Schluss gekommen, dass das Begehren wegen der Verfolgung eines rechtswidrigen Ziels ungültig sei. Es könne das elementare Prinzip der Vertragstreue erschüttern. Eine Veränderung lediglich aufgrund der Kostensituation sollte nach dem Willen der Vertragspartner gerade nicht zu einem Ausstieg führen dürfen. Für diesen Fall sei die „Sprechklausel“ vereinbart worden, die aber nur das Land und die Bahn betrifft. Es sei keine grundlegende und unzumutbare Änderung der Verhältnisse eingetreten, da die Stadt nicht mehr bezahlen werde als vereinbart. Formal sei zudem das Bürgerbegehren zu spät gestellt worden.
Bürgerbegehren „Ausstieg der Stadt Stuttgart aus S21 aufgrund des Leistungsrückbaus durch das Projekt“
Der Gemeinderat hat mit 39 gegen elf Stimmen - bei vier Enthaltungen - auchden Antrag auf Zulassung eines Bürgerentscheids „Ausstieg der Stadt Stuttgart aus S 21 aufgrund des Leistungsrückbaus durch das Projekt“ abgewiesen. Das Bürgerbegehren wurde für unzulässig erklärt. Die Unterschriftenlisten für das Bürgerbegehren wurden am 30. März übergeben. Professor Kirchberg hat auch hierzu ein Gutachten erstellt, dem sich die Verwaltung in der Vorlage für den Gemeinderat anschloss.
Wie vom Verwaltungsgericht Stuttgart im Jahr 2009 und auch vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim in seiner - noch nicht rechtskräftigen - Entscheidung vom April 2015 ausgeführt, ist trotz des elementaren Prinzips der Vertragstreue die Zulässigkeit eines derartigen Bürgerbegehrens denkbar, wenn „konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Gemeinde zum Beispiel durch ein einseitiges Rücktritts- oder Kündigungsrecht oder durch einen Anspruch auf Vertragsanpassung beziehungsweise -aufhebung von den eingegangenen vertraglichen Bindungen lösen kann.“ An solchen „konkreten Anhaltspunkten“ fehle es jedoch. Sie seien weder der Begründung des Bürgerbegehrens in ausreichend begründeter Form zu entnehmen, noch lägen sie objektiv vor.
Im vorliegenden Fall sei nicht ausgeführt, auf welche Erkenntnisse die mangelnde Leistungsfähigkeit zurückgeführt wird. Es bleibe auch unklar, wann die Erkenntnis gewonnen wurde. Die erforderlichen konkreten Anhaltspunkte, die eine Vertragskündigung rechtfertigen sollen, blieben daher im Dunklen, heißt es in der Begründung der Verwaltungsvorlage und des Gutachtens. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Stadt keine Kündigungsmöglichkeit habe.
Gemäß Paragraph 21 Abs. 4 Satz 1 Gemeindeordnung hat der Gemeinderat über die Zulässigkeit eines Antrages auf Bürgerentscheid zu entscheiden. Er ist dabei auf eine Rechtsprüfung beschränkt, ein Ermessensspielraum besteht nicht.
Das Verwaltungsgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil am 1. Juli 2021 (AZ: 7 K 6274/18) (Öffnet in einem neuen Tab) entschieden, dass eine Klage zur Durchsetzung des Bürgerbegehrens „Storno 21“ keinen Erfolg hat. Der Hauptantrag der Klägerin ist zwar zulässig aber unbegründet.
Stadt verlängert Verjährungsfrist nicht (Dezember 2016)
Die Landeshauptstadt Stuttgart stimmt einer Verlängerung der Verjährung für mögliche Ansprüche der Bahn auf zusätzliche Finanzierungsbeiträge beim Projekt Stuttgart 21 nicht zu. Der Gemeinderat fasste am Donnerstag, 8. Dezember 2016, einstimmig einen entsprechenden Beschluss.
Die Bahn hatte zunächst den Projektpartnern eine solche Verlängerung vorgeschlagen, um eine Klage auf zusätzliche Finanzierungsbeiträge zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu vermeiden.
Die Stadt ist der Auffassung, dass keine zusätzlichen Ansprüche gegen die Stadt bestehen und daher auch keine Ansprüche verjähren können. Daher - so die einhellige Meinung - besteht auch kein Anlass, eine Verjährungsfrist zu verlängern.