Gründung des Jugendamts

1921: Das Stuttgarter Jugendamt arbeitet von Anfang an eng mit Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt zusammen und hat dabei auch eine Aufsichts- und Kontrollfunktion. Für den Zeitraum von der Gründung bis zum 31. März 1924 zählen dazu: 2 Mütterheime, 9 Kinderkrippen, 50 Kindergärten und Kinderschulen, 1 Kinderasyl, 3 Kindertagheime, 3 Jugendgärten, 3 Kinderküchen, 2 Kindermilchküchen, 4 Kinderheilstätten, 1 Erziehungsanstalt, 14 Ferien- und Waldheime sowie eine große Zahl von Vereinen, die auf dem Gebiet des Jugendschutzes und der Jugendpflege tätig sind. Auch die vereinigten Jugendbünde haben sich ans Jugendamt angeschlossen.

1921: Die Einteilung der vier Fürsorgeabteilungen des Innendienstes erfolgt nicht nach den Gebieten der Fürsorge, sondern nach den Anfangsbuchstaben der Familiennamen der Mündel und Pflegebefohlenen.

In einem auf den 16. Januar 1923 datierten Schreiben des ersten Jugendamtsdirektors Aldinger erklärt dieser den Sinn dieser Maßnahme: "Wir haben nämlich grossen Wert darauf gelegt, dass möglichst alle Angelegenheiten eines und desselben Minderjährigen in einer Abteilung und innerhalb derselben von einem Beamten wahrgenommen werden". Nur durch dieses Vorgehen könne die mit der Einrichtung von Jugendämtern bezweckte Zusammenfassung aller behördlichen Jugendfürsorge tatsächlich erreicht werden.

Im Tätigkeitsbericht des Wohlfahrts- und Jugendamtes der Jahre 1921 bis 1929 heißt es dazu: "Die Gliederung des Innendienstes geht von dem Grundsatz aus, die gesamte Fürsorge für ein bestimmtes Kind oder eine bestimmte Familie tunlichst bei einem und demselben Beamten zu vereinigen, um das persönliche Verhältnis zwischen Objekt und Subjekt der Fürsorge möglichst innig und möglichst umfassend zu gestalten."

1921: Die Satzung des Stuttgarter Jugendamts, datiert auf den 15. März 1921, weist auf eine zweigliedrige, kollegial organisierte Behörde hin, die im Grundsatz der heutigen Struktur entspricht. Die Organe des Jugendamts sind die Jugendkommission und ihre Ausschüsse sowie der Amtsvorstand, die Amtsvormünder, Beamte, Angestellte und rund 500 freiwillige Mitarbeiter.

Die Jugendkommission als leitende, ausführende und kontrollierende Instanz setzt sich wie folgt zusammen: Vorsitzender, Stadtarzt, Bezirksschulinspektor, Richter oder Vormundschaftsrichter, außerdem 17 für die Jugendfürsorge geeignete Gemeindeeinwohner. Davon müssen mindestens fünf Frauen sein und wenigstens fünf Personen auf Vorschlag der Vereinigungen für Kinder- und Jugendfürsorge gewählt werden. Als beratendes Mitglied zählt zudem der Amtsvorstand zur Jugendkommission.

Die Tätigkeit des Jugendamts teilt sich in Innen- und Außendienst, seine Zuständigkeiten werden im handgeschriebenen Organigramm wie folgt umrissen: „Gemeindewaisenrat, Berufsvormundschaft, Kostkinderwesen, Armenkinderfürsorge, Jugendschutz, Fürsorge-Erziehung, Aufsicht über Einrichtungen und Anstalten der Jugendfürsorge, Jugendstiftungen, soziale Schulkinderfürsorge usw."

1924: Am 1. April tritt die Reichsfürsorgeverordnung in Kraft. Sie regelt unter anderem, dass Kommunen drei Viertel der Kosten für die Kriegsfürsorge, die Sozial- und Kleinrentnervorsorge sowie für die Jugendfürsorge zu tragen haben. Das verbleibende Viertel kommt vom Land. Diese einheitliche Behandlung führt zum neuen Wohlfahrtsamt. Seine Geschäftsstellen heißen: Jugendamt, Kriegsfürsorge, Sozialrentenfürsorge, Kleinrentnerfürsorge und allgemeine Wohlfahrtspflege. Zuvor war der städtische Anteil an den Kosten für die Kriegsfürsorge und an denen der Sozial- und Kleinrentnerfürsorge wesentlich geringer.

Entlastung bringt das neue Gesetz jedoch bei der Jugendfürsorge: "Die Unterstützung für hilfsbedürftige Minderjährige war vor dem 1. April 1924 nur im Wege der Armenfürsorge möglich, woran sich der Staat mit zwei Fünftel, das Jugendamt mit zwei Fünftel und der Ortsarmenverband mit einem Fünftel beteiligten", heißt es im Tätigkeitsbericht des Wohlfahrt- und Jugendamtes der Jahre 1921 bis 1929. Mit dem Inkrafttreten der Reichsfürsorgeverordnung beteiligt sich das Land nun ebenfalls mit einem Viertel an den finanziellen Aufwänden für hilfsbedürftige Minderjährige. 

1929/1930: Hauptsitz des Jugendamts ist der Wilhelmsplatz. Mit seinem Außendienst ist es jedoch von Anfang an im gesamten Stadtgebiet präsent, unterteilt in 16 Fürsorgegebiete. Der Außendienst betreibt Sprechstellen in der Bismarckstraße im Westen, in der Werderstraße im Stadtteil Berg, in der Möhringer Straße, in der Pragschule, in der Karlsschule in Wangen, in der Neuen Schule Degerloch und in der Brunnenstraße in Cannstatt.

Um eine einheitliche Familienfürsorge zu gewährleisten, unterhält das Jugendamt Zweigstellen in den Vororten Cannstatt, Untertürkheim, Obertürkheim, Wangen, Hedelfingen und Botnang. Ende der 1920er-Jahre sind rund 150 Beamte und Angestellte, inklusive 17 Kindergärtnerinnen, beim Stuttgarter Jugendamt beschäftigt. Sie werden unterstützt von 400 Ehrenamtlichen.