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Landeshauptstadt Stuttgart

Umwelt

Vom Radieschen bis zum Kürbis

Saatgut aus der Bibliothek zuhause aussäen? Seit 2023 ist das in Stuttgart möglich. Mit dem Angebot fördert die Stadtbibliothek nicht nur alte Gemüsesorten und mehr Grün in der Stadt, sondern hat auch einen nachhaltigen Kreislauf gestartet.

Bereit zum Säen: Stefanie Schilling mit Saatgutpäckchen und Alexandra Kirchner mit Bibliotheks-Gießkanne.

Schon einmal von der „Neckarperle“ gehört? Hinter dem hübschen Namen verbirgt sich ein Schmuckstück ganz eigener Art – ein Blumenkohl. Aber nicht irgendeiner, sondern eine alte Sorte, die mit Saatgut aus der Stuttgarter Stadtbibliothek angepflanzt werden kann. Vorsicht jedoch: „Blumenkohl ist kein Anfänger-Gemüse“, warnt Alexandra Kirchner, Leiterin der Ebene Leben in der Stadtbibliothek am Mailänder Platz. Wer ins Gärtnern einsteigen wolle, solle lieber mit Radieschen, Spinat oder Rucola starten. Auch da hat die Bibliothek reichlich Auswahl.

Pflanzensamen aus der Stadtbibliothek – klingt erst einmal ungewöhnlich. Ist aber ein echter Renner. Die Saatgutbibliothek geht im Jahr 2024 bereits in ihre zweite Runde. Am Mailänder Platz und in elf Stadtteilbibliotheken. Das Prinzip: Im Frühjahr können sich die Leute Saatgut in der Bibliothek „ausleihen“, das sie zuhause aussäen. Im Herbst wird geerntet und von der Ernte bringen die Hobby-Gärtner wieder einige getrocknete Samen in die Bibliothek. Im nächsten Frühling startet der Kreislauf von neuem.

Trend in Bibliotheken

Stefanie Schilling hatte die Idee dazu. Die Leiterin der Kinder- und Jugendbibliotheken schaut immer wieder, welche neuen Trends es in Bibliotheken gibt. Einer der Trends sind derzeit Saatgutbibliotheken. 2021 hat sie ein erstes Treffen zum Thema organisiert und schnell viele Mitstreiter gewonnen. Bereits 2023 konnte die Saatgutbibliothek an den Start gehen. „Die Frage war damals: Wo bekommen wir das Saatgut her?“, erzählt Stefanie Schilling. Das klärte sich rasch: Initiativen haben gespendet, von den städtischen Förderprogrammen „Urbane Gärten“ und „Lass es blühen!“ hat die Bibliothek Samen erhalten und nicht zuletzt aus dem Kollegenkreis – wo sich offenbar mehr Hobby-Gärtner tummelten als erwartet.

Auf dem Balkon anpflanzen

Gemüse, Obst, Kräuter, Blumen – als Saatgut für die Bibliothek in Frage kommt fast alles. Nur „samenfest“ müssen die Pflanzen sein. Also selbst wieder Samen abgeben, die ausgesät werden können. Was bei Samenpäckchen aus dem Handel nicht immer der Fall ist. Altes, natürliches Saatgut wieder zu verbreiten, ist vielerorts ein Grund, eine Saatgutbibliothek einzurichten. Alexandra Kirchner nennt noch einen zweiten Grund: „Wir wollen einfach etwas mehr Grün in die Stadt bringen.“ Für die meisten Samen braucht es dabei nicht unbedingt einen Garten oder ein Beet. „Vieles lässt sich auf dem Balkon anpflanzen“, sagt Stefanie Schilling.

Das Wort „Ausleihe“ ist im Fall der Saatgutbibliothek anders zu verstehen als bei Büchern, CDs oder Musikinstrumenten. Jeder, der möchte, kann sich Saatgut mitnehmen, er braucht weder einen Bibliotheksausweise, noch wird das Saatgut im Ausleihkonto vermerkt. Allerdings sollten Ausleiher pro Person nicht mehr als zwei Tütchen einpacken.

Die „Rückgabe“ funktioniert ebenfalls anders als sonst. Denn natürlich ist die Saatgut-Ausleihe nicht so gedacht, dass man Monate später dieselben Samen zurückbringt. Im besten Fall ist aus denen ja zum Beispiel ein Kürbis geworden, der wieder reichlich Samen abgibt. Da bringen viele Ausleiher gerne welche in die Bibliothek zurück. Praktischerweise lässt sich aus dem Flyer der Saatgutbibliothek mit ein klein wenig Falten und Kleben ein Samenpäckchen basteln, auf dem der Name der Pflanze, das Abfülldatum, sowie der Zeitraum für Aussaat, Blüte und Ernte notiert werden können.

Hübsch dekoriert bieten die Bibliotheken, wie hier in Untertürkheim, rund um die Samenpäckchen passende Literatur.

Manche Hobby-Gärtner sind so begeistert, dass sie noch mehr Infos dazu geben. Alexandra Kirchner zeigt Päckchen der Tomatensorte „Black Strawberry“, die ein Herr liebevoll zu je zehn Stück gepackt hat. Darauf die Auskunft: „Cocktailtomate mit gutem Geschmack. Fruchtig und etwas süß-säuerlich. Neigt leider zum Platzen und sollte vorsichtig bewässert werden. Guter Ertrag, sollte als Stabtomate ausgegeizt werden.“

Solchen Austausch unter Gartenfreunden möchte die Saatgutbibliothek unterstützen. Deswegen stehen auf der Ebene Leben die Gartenbücher nicht weit von den Saatgutpäckchen. Zusätzlich gibt es passende Veranstaltungen. Mit der Zeit könnte sich so eine Gemeinschaft entwickeln, sagt Stefanie Schilling: „Unser Traum ist eine Art Erntedankfest, wo Saatgutausleiher zusammenkommen und ihre Ernte mitbringen.“

Über mangelndes Interesse können sich die Organisato­rinnen nicht beklagen. Das Angebot wird querbeet gut angenommen. „Da zeigt sich ein großes Bewusstsein für Nachhaltigkeit“, sagt Alexandra Kirchner. Alte, Junge, Familien sind begeistert. Stefanie Schillings Anbautipp für Kinder: „Bohnen – da sieht man schnell was.“

Am eigenen Hochbeet

Sogar Jugendliche gärtnern gerne. Zu sehen direkt vor der Stadtbibliothek, am Hochbeet beim Bauwagen der Mobilen Jugendarbeit. Dort kümmern sich Jugendliche um das Säen, das Gießen und das Ernten. In diesem Jahr erstmals mit Samen aus der Saatgutbibliothek.

Immer aber gilt beim Gärtnern: nicht alles liegt in der eigenen Hand. Eine Garantie, dass aus den Samen etwas wird, kann auch die Saatgutbibliothek nicht bieten. Aber ein paar Anbautipps: „Tomate, Basilikum und Zwiebel in einem Kübel ergänzen sich perfekt“, sagt Alexandra Kirchner. Sorten, die sich hingegen gar nicht vertragen, seien Zucchini und Kürbis oder auch Gurke und Tomate. Und der Blumenkohl „Neckarperle“? Der, sagt Alexandra Kirchner, sei eine „kleine Mimose“ – toleriere aber Nachbarn wie Spinat und Kopfsalat.

Programm rund um die Saatgutbibliothek

Samen aus der Saatgutbibliothek können ab Donnerstag, 7. März, in der Ebene Leben im dritten Obergeschoss der Stadtbibliothek am Mailänder Platz sowie in den Stadtteilbibliotheken Heslach, Kneippweg, Möhringen, Neugereut, Ost, Untertürkheim, Vaihingen, Weilimdorf, West, Zuffenhausen und in der Fahrbibliothek mitgenommen werden.

Die Stadtbibliothek bietet unter dem Titel „Ökologisch gärtnern im Jahreslauf“ mehrere Veranstaltungen mit der Kräuterpädagogin Lidia Lupo an. Start ist am Donnerstag, 7. März, um 18 Uhr in der Stadtbibliothek am Mailänder Platz mit dem Thema „Aussäen & vorziehen“. Als Fortsetzung geht es am Donnerstag, 11. April, 18 Uhr, am gleichen Ort ums „Pflegen, düngen & schützen“, dasselbe Thema steht am Mittwoch, 24. April, 18 Uhr, in der Stadtteilbibliothek Untertürkheim auf dem Programm.

Eine große Tauschbörse für Pflanzen und Saatgut schließlich findet am Freitag, 17. Mai, von 16 bis 19.30 Uhr statt. Am Hochbeet der Stadtbibliothek am Mailänder Platz können sich Gleichgesinnte treffen, Pflanzen und Samen tauschen und zudem in einem Workshop einiges darüber lernen, welche Pflanzen im Beet gut harmonieren.

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Bildnachweise

  • Thomas Hörner/Stadt Stuttgart
  • Stadtbibliothek Stuttgart
  • Gonzalez/Kunstmuseum Stuttgart
  • Thomas Wagner/Stadt Stuttgart, Unterer Schlossgarten
  • © die arge lola, Kai Loges + Andreas Langen