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Landeshauptstadt Stuttgart

Rathaus

Vom „Muss“ zur großen Liebe - Das Glockenspiel im Rathausturm und Stuttgarts Glockenspielerin

Ekaterina Porizko ist eine der wenigen Glockenspielerinnen bundesweit. Die studierte Musikerin kommt mindestens einmal im Monat nach Stuttgart, um das Glockenspiel im Rathausturm zum klingen zu bringen.

Das Arbeitsgerät von Ekaterina Porizko: Das Glockenspiel des Stuttgarter Rathauses
Wenn Ekaterina Porizko das Glockenspiel im Rathaus spielt, ist das in der ganzen Stadt zu hören.

Nichts weniger als die Präzision eines Handchirurgen brauche sie für ihren Beruf, sagt Ekaterina Porizko verschmitzt. Schließlich stehe jeder ihrer Fehler sekundenlang in der Luft, sei bis zu zwölf Kilometer weit hörbar. Was andere womöglich abschrecken würde, fasziniert die junge Musikerin. „Zu wissen, man spielt hier nicht bloß vor einem ausverkauften Konzertsaal, sondern für die gesamte Stadt, das ist etwas Besonderes“, sagt die Carilloneurin, wie der Beruf der Glockenspielerin richtig heißt. Mindestens einmal monatlich thront Porizko hoch oben über dem Stuttgarter Marktplatz und spielt die Glocken live, die restliche Zeit zeichnet ein Computer dafür verantwortlich.

Die Rathausglocken erklingen dabei voll und rund. „Man könnte auch sagen, es klingt mächtig“, so Porizko. In der Vergangenheit zeugten vor allem die tiefen Töne der großen, teuren Glocken vom Reichtum einer Stadt, ergo ihrer Macht.

Traum von einem Lehrstuhl für das Glockenspiel

Doch was bringt eine junge Frau dazu, ein solch monumentales Instrument spielen zu wollen, das man nicht mal eben bei sich zuhause aufstellen kann? Bei Ekaterina Porizko war es schlicht die Pflicht. Das Glockenspiel war an der Universität in Sankt Petersburg Voraussetzung, um das Orgel- und Cemballospiel erlernen zu dürfen „Aus diesem Muss ist aber schon bald eine große Liebe erwachsen“, sagt Porizko. So groß, dass sie nicht nur von einem Lehrstuhl in Deutschland träumt, sondern sich aktiv dafür einsetzt. Aktuell muss nach Belgien, Holland, Russland oder in die USA reisen, wer professioneller Glockenspieler werden möchte. Wohl auch ein Grund, warum es in Deutschland „nur eine Handvoll Carilloneure gibt“, sagt die 33-Jährige. Obwohl es bei mehr als 60 Carillons im Land genug Aufträge gäbe.

Doch ist ein Glockenspiel zu beherrschen eben etwas anderes, als bei jedes andere Instrument. „Ich sitze fast unter dem Dach des Rathausturms, aber mein Ohr ist auf dem Marktplatz“, beschreibt die Kirchenmusikerin die Herausforderung. Sie müsse nachdenken, vorausdenken, ständig antizipieren, was außerhalb ihres Spielzimmers passiert. „Das setzt viel Erfahrung voraus.“

Fünf mal am Tag erklingt das Glockenspiel

In Stuttgart sind es 71 Stücke, die abwechselnd zu hören sind – jeweils fünf mal zwei Lieder täglich. Die Auswahl der Lieder orientiert sich dabei sowohl am Kalender als auch am Kirchenjahr. „Es ist schön für eine Stadt, wenn auf diese Weise integrative und ökumenische Aspekte einfließen“, ist Porizko überzeugt. Abgesehen davon gehöre ein Glockenspiel zur Kultur im öffentlichen Raum und könne, sei es auch nur für einen kurzen Moment, das Leben der Menschen verändern.

Zurückhaltend deutet Porizko an, dass die Stuttgarter Rathausglocken schon bald einen noch größeren Einfluss auf die Menschen in der Stadt nehmen könnten. „Für den Sommer ist etwas Besonderes geplant“, stellt sie in Aussicht. (dot)

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  • Dominik Thewes/Stadt Stuttgart
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  • Thomas Wagner/Stadt Stuttgart
  • Dominik Thewes/Stadt Stuttgart
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