Die Verabschiedung war eingebettet in eine Tagung des Stadtarchivs zum Thema „Vernachlässigte Quellen? – Die visuelle Überlieferung der NS‐Diktatur in Archiven und ihre Erforschung“. Die Open‐Air‐Tagung im Innenhof des Stadtarchivs wurde möglich durch sinkende Infektionszahlen.
Stadtarchiv zum modernen Gedächtnis der Stadtgesellschaft entwickelt
Erster Bürgermeister Dr. Mayer, zuständig für Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht, sagte: „Unter Professor Müllers Leitung hat sich das Stadtarchiv unter schwierigen Ausgangsbedingungen zu einem modernen Gedächtnis der Stadtgesellschaft entwickelt. Es hat frühzeitig die Herausforderungen der digitalen Revolution erkannt und als erstes deutsches Kommunalarchiv ein digitales Langzeitarchiv eingeführt.“
Prof. Dr. Müller sagte: „Ich bin dankbar, dass wir uns als modernes, professionelles Gedächtnis der Stadtgesellschaft profilieren sowie als Kompetenzzentrum für Stadtgeschichte und Lernort etablieren und breit vernetzen konnten. Es wird eine Herausforderung bleiben, vor allem die Grundlagenarbeit und den methodischen Umgang mit der Stadtgeschichte zu behaupten.“
Die Laudatio hielt Dr. Ernst Otto Bräunche. Der ehemalige Leiter des Stadtarchivs Karlsruhe war Müllers Vorgänger im Amt des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Archive im Städtetag Baden‐Württemberg und ehemaliger Vorsitzender der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag. Müller habe seit 1996 als Nachfolger von Paul Sauer „Ansehen und Leistungsfähigkeit eines der großen Stadtarchive in der deutschen Archivlandschaft kontinuierlich vermehrt. Er war über 18 Jahre eine maßgebliche Stütze in der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag.“
Eröffnung des neuen Stadtarchivs ein Meilenstein in seiner Amtszeit
Roland Müller studierte Germanistik und Geschichte an der Universität Stuttgart und promovierte bei Prof. Eberhard Jäckel über das Thema „Stuttgart zur Zeit des Nationalsozialismus“, eine Pionierstudie zur Rolle der Kommunalverwaltung in der NS‐Zeit. Seit 1997 gehört er der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden‐Württemberg an. Seit 1995 ist er Lehrbeauftragter am Historischen Institut der Universität Stuttgart. Diese berief ihn im Dezember 2017 zum Honorarprofessor.
Seine berufliche Tätigkeit begann Müller 1987 als Referendar beim Generallandesarchiv Karlsruhe. Nach der zweiten Staatsprüfung 1989 führte ihn sein Weg über das Hauptstaatsarchiv Stuttgart zum Staatsarchiv Ludwigsburg. Seit dem 1. September 1996 leitet er das Stadtarchiv der Landeshauptstadt Stuttgart.
Als ein Meilenstein in seiner Amtszeit wurde im Januar 2011 das neue Stadtarchiv im Bellingweg eröffnet. Aus einem ehemaligen Lagerhaus im Neckarpark in Bad Cannstatt entstand ein fachgerecht ausgestattetes Archiv mit einer Fläche von rund 6.000 Quadratmetern. Es verfügt über einen modernen Lesesaal und Vortragsräume. Der Service für die Besucher konnte dadurch wesentlich verbessert werden. Es herrschen nun gute Bedingungen für die historische Bildungsarbeit, vor allem auch für die jüngere Generation. Damit wird ein wesentliches Anliegen der Arbeit des Stadtarchivs ermöglicht, nämlich die methodische Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte als unverzichtbarer Grundlage für ein demokratisches Gemeinwesen.
Digitales Stadtlexikon und „Stuttgart 1942“ viel beachtete Projekte
Ein herausragender Erfolg für das Stadtarchiv und seinen Leiter war im Jahr 2019 die Nominierung des Digitalen Stadtlexikons für den Grimme‐Online Award, den nationalen Medienpreis. Damit wurde ein innovatives Projekt zur Erforschung und Vermittlung von Stadtgeschichte von hoher inhaltlicher und technischer Qualität gewürdigt, das zugleich einen niederschwelligen Zugang bietet. Das Projekt „Stuttgart 1942“ in Kooperation mit den großen Stuttgarter Tageszeitungen wird in der breiten Öffentlichkeit viel beachtet. Regelmäßig ist das Stadtarchiv dadurch mit interessanten Beiträgen in den Printmedien vertreten.
Seine reichhaltigen Erfahrungen bringt Prof. Roland Müller bundesweit in der interkommunalen Zusammenarbeit ein. Von 2003 bis 2021 hatte er den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft der Archive im Städtetag Baden‐Württemberg und war in dieser Funktion Mitglied der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag. Persönlich engagiert er sich stark für die Erinnerungskultur in Stuttgart. Als Mitglied der Initiative „Gedenkstätte Killesberg“ erhielt er 2014 die Otto‐Hirsch‐Auszeichnung.