Gleichzeitig bestätigen Daten aus Suchthilfe und Gesundheitswesen sowie der Polizei, dass die Legalisierung bislang nicht zu einem sprunghaften Anstieg der Nutzung geführt hat.
Die Bürgermeisterin für Soziales, Gesundheit und Integration, Dr. Alexandra Sußmann, stellt klar: „Die Legalisierung von Cannabis im Jahr 2024 war mit sehr kontroversen Diskussionen verbunden. Mit einem Jahr Abstand und differenzierten Untersuchungen haben wir nun für Stuttgart ein klareres Bild über die bisherigen Auswirkungen. Die Untersuchungen des Abwassers und die institutionellen Erkenntnisse helfen uns, die Entwicklung besser zu verstehen und gezielte Maßnahmen für Prävention und Aufklärung abzuleiten.“
Der Abteilungsleiter für Wirtschaft und Befragung im Statistischen Amt, Dr. Till Heinsohn, beschreibt die Ergebnisse wie folgt: „Die Daten zeigen einen leichten Anstieg des Cannabiskonsums in der Landeshauptstadt. Der mittlere Messewert lag nach der Legalisierung um 13 Prozent über den Werten vor der Freigabe. Darüber hinaus zeigt sich ein gleichbleibendes Konsummuster. So zeigen sich auch nach der Legalisierung an allen Wochentagen vergleichbar hohe Werte im Abwasser. Für die anderen von uns gemessenen Substanzen wie Kokain, Amphetamin, Methamphetamin, MDMA (Ecstasy), Oxazepam oder Morphin sehen wir in unseren Messergebnissen keinen Zusammenhang zur Cannabis‐Legalisierung.“
Der Leiter des Zentrallabors des Eigenbetriebs Stadtentwässerung, Peter Schilling, ergänzt: „Abwasserproben bieten wertvolle Einblicke in den Drogenkonsum einer Stadt oder Region. Die Analyse der Tagesmischproben im Zulauf des Hauptklärwerks Mühlhausen ermöglicht uns, ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wie verbreitet der Konsum von Cannabis und anderen Drogen ist. Vor allem die Häufigkeit unserer Untersuchungen, nämlich ein Wochengang pro Monat, ergibt eine sehr sichere Datengrundlage für die Beurteilung der Situation.“
„Keine Zunahme von Behandlungen aufgrund von Cannabisabhängigkeit“
Der Ärztliche Direktor der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten, Dr. Maurice Cabanis, betont: „Wir sehen in unserer Klinik bislang keine Zunahme von Behandlungen aufgrund von Cannabisabhängigkeit oder Cannabis‐assoziierten psychischen Störungen, wie zum Beispiel Depressionen oder Psychosen.“
Der geschäftsführende Vorstand der Selbsthilfeorganisation Release Stuttgart e. V., Bernd Klenk, resümiert: „In der Suchthilfe und Suchtprävention ist die Nachfrage nach Beratung unverändert. Was wir sehen, ist ein steigendes Interesse am Konsum und den Auswirkungen. In den Beratungen stellen wir fest, dass die Legalisierung dazu führt, dass alle Fragen offen gestellt werden können und dadurch die Beratungsqualität steigt.“
Die im Abwasser gemessenen Werte entsprechen auch den Erfahrungen der Polizei. Der Leiter des Rauschgiftdezernats Stuttgart, Hendrik Weiss, bewertet die Lage wie folgt: „Wir sehen in der Öffentlichkeit keine deutliche Zunahme des Cannabiskonsums. Der Umgang mit Cannabis in der Öffentlichkeit ist aber offener als früher.“
Der Leiter des Gesundheitsamts, Prof. Stefan Ehehalt, fordert: „Auch, wenn die Lage nach einem Jahr stabil erscheint, stellen wir als Gesundheitsbehörde dennoch einen Handlungsbedarf fest: Der Gesundheitsschutz für Jugendliche und junge Erwachsene muss ausgebaut werden, insbesondere bei der Frühintervention.“
Die für Rauschgiftdelikte zuständige Oberstaatsanwältin, Susanne Dathe, bekräftigt: „Es besteht zudem ein deutlicher Bedarf an gesetzlichen Neuregelungen, insbesondere zum Zwecke der sachgerechten Verfolgung schwerer Kriminalität. Die Möglichkeiten der Strafverfolgung müssen überprüft und überall dort, wo möglich, verbessert werden.“
Die Stadt Stuttgart wird die Entwicklung weiterhin genau beobachten und ihre Präventions‐ und Aufklärungsarbeit entsprechend anpassen.