Das Preisgeld wird zu gleichen Anteilen zwischen den beiden Preistragenden aufgeteilt. Die Jury traf ihre Entscheidung am 6. September 2023, diese wurde vom Gemeinderat am 12. Oktober 2023 angenommen.
Die Preisverleihung fand am 14. November mit rund 200 Gästen im Großen Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses statt. Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner begrüßte zum Festakt und beglückwünschte die Schriftstellerin Svenja Leiber und den Übersetzer Thilo Diefenbach zu ihrer Auszeichnung: „Nicht erst in den gegenwärtigen Zeiten ist Literatur eine wesentliche vermittelnde und die Welt erschließende Kulturleistung. Mit den Werken von Svenja Leiber und Thilo Diefenbach werden literarische Leistungen gewürdigt, die uns helfen, den Blick gen Osten zu weiten und damit ein deutliches Stück Weltkompetenz zu vertiefen.“
Larissa Bender, Jurymitglied und Übersetzerin für arabische Literatur würdigte Svenja Leiber als „eine Autorin, die bereits durch ihre Biografie einen offenen Blick für die Welt und ein Interesse an historischen Zusammenhängen mitbringt“ und sich aufgrund von intensiven Recherchereisen „einen scharfen Blick fürs Detail und auf das große Ganze angeeignet“ hat. Leiber wurde mit dem Cotta-Preis für ihr Werk „Kazimira“ ausgezeichnet. „Mit »Kazimira« hat Svenja Leiber ein akribisch recherchiertes Portrait über die Geschichte einer wenig bekannten, aber nicht allzu entfernte Region vorgelegt. Mit der Wertschätzung, die sie ihren Figuren zuteilwerden lässt, und ihrer sensiblen Sprache ist es ihr mit diesem Generationenroman gelungen, vor dem Hintergrund des Grauens von Nationalismus und Antisemitismus sowie zweier Weltkriege von Glück und Leid zu erzählen, von Frauen, die sich gegen Unterdrückung und patriarchale Strukturen auflehnen“ erklärte Larissa Bender.
Anna Katharina Hahn, Jurymitglied und in Stuttgart lebende Schriftstellerin, würdigte in Vertretung für Literatur- und Filmkritikerin Verena Lueken, Thilo Diefenbachs deutsche Übersetzung taiwanischer Literaturen als Pionierarbeit. Sie hob hervor „Diefenbachs Anthologie versammelt Gedichte und Legenden, Essays, Erzählungen und Romanauszüge. Und zwar nicht nur auf Mandarin, wie die wenigen anderen deutschsprachigen Anthologien von Literatur aus Taiwan, die sich auf die Nachkriegszeit konzentrieren, sondern er übersetzt Texte aus mehreren Jahrhunderten aus dem Mandarin und klassischem Chinesisch, aus dem Taiwanischen und dem Japanischen.“ Außerdem stellte sie fest „von Taiwan wissen wir vor allem, dass es sich nicht als "chinesisch" im Sinn der Volksrepublik China identifiziert. Von Thilo Diefenbach lernen wir, was das in den Literaturen bis heute bedeutet. Sein Respekt vor der Widerständigkeit der Insel gegenüber dem Festland zeigt sich auch darin, dass er eine Umschrift benutzt, die ausdrücklich anders vorgeht als die in China favorisierte.“
Den Abend moderierte die Literaturredakteurin und Moderatorin Katharina Borchardt, die mit den beiden Preistragenden ein Gespräch über die zwei Werke führte und sie daraus lesen ließ. Für den künstlerischen Input war die Stuttgarter Musikerin Laima Adelaide eingeladen, die mit der Live Musikvideo Performance das Publikum dazu inspirierte mit Musik und Worten eigene Bilder zu produzieren. Das in diesem Rahmen gezeigte Musikvideo „Gravity“ von Duc-Thi Bui und Laima Adelaide erhielt 2023 den MuVi-Preis für das beste Deutsche Musikvideo auf den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen.
Der Jury gehörten – neben den Mitgliedern des Gemeinderats Dr. Christine Lehmann, Jürgen Sauer und Dejan Perc – die Übersetzerin Larissa Bender, die Schriftstellerin Anna-Katharina Hahn, der Lektor und Schriftsteller Martin Kordić und die Literaturkritikerin Verena Lueken sowie – als Vorsitzender – der Erste Bürgermeister Dr. Fabian Mayer an.
Über die Preisträger
Svenja Leiber wurde 1975 in Hamburg geboren. Sie studierte Philosophie, Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte in Berlin, debütierte 2005 mit dem Erzählungsband Büchsenlicht (Ammann Verlag), und veröffentlichte seitdem die Romane Schipino (Schöffling, 2010), Das letzte Land (Suhrkamp, 2014), Staub (Suhrkamp, 2018) und Kazimira (Suhrkamp, 2021). Lese- und Recherchereisen führten sie unter anderem in die Ukraine, nach Russland, Kuba, Kanada, Syrien, Jordanien und Israel. Svenja Leiber lebt und arbeitet in Berlin, ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland, im PEN-Berlin, Teil von Weiter Schreiben, einem Portal für literarische Zusammenarbeit mit geflüchteten Autorinnen und Autoren, und war Mitgründerin des Kollektivs Writing with Care/Rage, das auf unsichtbare und unbezahlte Sorgearbeit im Hintergrund von literarischen Arbeitsprozessen aufmerksam macht.Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit arbeitet sie mit dem Künstler Ulf Aminde zu gesellschaftlichen Themen und Fragestellungen wie kritischer Erinnerung und Auseinandersetzung mit rechtsgerichteter Gewalt.
Thilo Diefenbach wurde 1975 geboren, studierte Sinologie und Germanistik in Frankfurt und hat 2004 an der Kölner Universität promoviert. Seine Dissertation „Kontexte der Gewalt in moderner chinesischer Literatur“ erschien 2004. Zu seinen Buchpublikationen zählen die Anthologie Kriegsrecht. Neue Literatur aus Taiwan (iudicium 2017) und Gedanken in Weiß sowie Gedichte von Cheng Chiung-ming (iudicium 2019). Neben der Literatur Taiwans widmet er sich auch der vormodernen Literatur Chinas. 2012 beispielsweise erschien sein Band Zwischen Engagement und Resignation: Auszüge aus dem Yulizi und anderen Texten von Liu Ji (1311-1375) beim Ostasien-Verlag. Er war für mehrere Jahre Redakteur bei der Zeitschrift ASIEN und ist ständiger Mitarbeiter der Hefte für Ostasiatische Literatur. Seine neueste Anthologie Zwischen Himmel und Meer (iudicium 2022) unternimmt einen Streifzug durch die thematische und sprachliche Vielfalt der taiwanischen Literaturgeschichte.
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