Solidaritätspartnerschaft mit Chmelnyzkyj
Am 7. November 2023 haben die deutschen Städte Stuttgart und Dresden sowie die ukrainische Stadt Chmelnyzkyj eine Vereinbarung zu einer neuartigen Solidaritätspartnerschaft unterzeichnet. Bereits am 2. März 2023 hat der Stuttgarter Gemeinderat dafür gestimmt, die Solidaritätspartnerschaft mit der westukrainischen Stadt zu etablieren.
Solidaritätspartnerschaft mit Chmelnyzkyj
Am 24. Februar 2022 startete die Russische Föderation eine groß angelegte Invasion in der gesamten Ukraine und löste damit einen tragischen Krieg aus, der zu einer massiven Zerstörung der zivilen und kritischen Infrastruktur, zu schrecklichem menschlichen Leid unter der Zivilbevölkerung und zu einem Zustrom von mehr als 8 Millionen Flüchtlingen nach Europa führte.
Die Rückkehr des Krieges auf europäischen Boden unter Verletzung aller Regeln des Völkerrechts hat auf dem gesamten Kontinent eine beispiellose Welle der Solidarität mit dem ukrainischen Volk ausgelöst.
Die Ukraine nicht nur temporär unterstützen, sondern eine langfristig ausgerichtete freundschaftliche Beziehung zu einer ukrainischen Stadt aufbauen: Das ist der Landeshauptstadt Stuttgart seit Beginn des russischen Angriffskriegs wichtig.
Gemeinsam mit der sächsischen Landeshauptstadt Dresden möchte die Landeshauptstadt Stuttgart die Stadt Chmelnyzkyj unterstützen. Stuttgart übernimmt dabei die Koordination innerhalb des Dreier-Bündnisses.
Am Dienstag, 7. November 2023, hat Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper mit seinem Amtskollegen aus Chmelnyzkyj sowie dem Ersten Bürgermeister der Landeshauptstadt Dresden, Dr. Oleksandr Symtschyschyn und Jan Donhauser, während einer Videokonferenz eine gemeinsame Vereinbarung zur Solidaritätspartnerschaft unterzeichnet. Bereits am 2. März 2023 hat der Stuttgarter Gemeinderat der Solidaritätspartnerschaft zugestimmt.
Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper bei der Unterzeichnung der Vereinbarung zur Solidaritätspartnerschaft"Wir sind entschlossen, auf der Basis von gemeinsamen Werten füreinander einzustehen und gemeinsam eine bessere Zukunft zu gestalten.“
Chmelnyzkyj passt als Hauptstadt des gleichnamigen Oblasts sowie als wirtschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Zentrum der Region zu den neuen Partnern Stuttgart und Dresden. Zudem zeichnet die westukrainische Metropole mit ihren rund 300.000 Bürgerinnen und Bürgern eine starke europäische und internationale Ausrichtung aus. Hierfür gewann Chmelnyzkyj 2021 den Europapreis des Europarats. Ebenso soll die Solidaritätspartnerschaft an die vor Kriegsbeginn dynamische Wirtschaftsförderung und nachhaltige Stadtentwicklung anknüpfen. Zunächst stehen jedoch akute Notlagen im Mittelpunkt.
Die Westukraine ist weiter von den besonders umkämpften Gebieten im Osten und Süden der Ukraine entfernt. Deshalb suchen viele Binnenflüchtlinge hier Schutz. Doch auch in Chmelnyzkyj sind durch russische Raketenangriffe immer wieder Tote, Verletzte und Zerstörungen zu beklagen.
Als Schwerpunkte der mittelfristigen Kooperation hat Oberbürgermeister Dr. Symtschyschyn aus Chmelnyzkyj die Bereiche Energie, Medizin, Bildung und Forschung sowie Kultur im Blick. Durch die breitere Basis eines Dreierbündnisses kann die Unterstützung vielseitiger und zugleich punktgenauer erfolgen.
Seit dem Gemeinderatsbeschluss hat Stuttgart bereits einige Projekte im Rahmen der Solidaritätspartnerschaft umgesetzt. Bei mehreren Hilfstransporten wurden Hilfsgüter nach Chmelnyzkyj geliefert. Im Mai 2023 starteten vier Läuferinnen aus Chmelnyzkyj beim Stuttgart‐Lauf. Im Juni 2023 nahmen der Bürgermeister Chmelnyzkyjs, Mykola Wawryschtschuk, sowie Mitglieder des Jugendrats am jährlichen Stuttgarter Städtepartnerschaftstreffen zum Thema „Neue Perspektiven in der Kulturarbeit“ teil. Weitere Kolleginnen und Kollegen besuchten anschließend die Urban Future Conference. Am 19. Juni 2023 wurde bereits die erste Schulpartnerschaft in der Solidaritätspartnerschaft zwischen dem Eberhard‐Ludwigs‐Gymnasium und dem 2. Bildungskomplex Chmelnyzkyj unterzeichnet. Im August fuhren ukrainische Radfahrerinnen beim Stuttgarter „Brezel‐Race“ mit. Mitte Oktober war eine Jugendgruppe für mehrere Tage zu Gast in Stuttgart, um sich über die Arbeit der Stadtverwaltung und der Zivilgesellschaft zu informieren. Auch die Feuerwehr aus Chmelnyzkyj war im Herbst 2023 zu Gast bei der Feuerwehr Stuttgart.
Beratung in Sachen Solidaritätspartnerschaft erhält die Landeshauptstadt von der „Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW)“. Die zentrale Anlaufstelle für kommunale Entwicklungspolitik fördert den Fachaustausch und finanziert sich über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie über Zuschüsse der Länder Baden‐Württemberg, Bremen, Hamburg, Nordrhein‐Westfalen und Rheinland‐Pfalz.
Freundschaftliche Beziehungen
Die Stadt Stuttgart pflegt zu den Städten Nanjing in China, Ogaki in Japan und Shavei Zion in Israel besonders starke und lebendige Kontakte.
Nanjing
Seit dem Abschluss dieser Vereinbarung zwischen Stuttgart und Nanjing im Jahr 1995 über die Aufnahme „besonderer freundschaftlicher Beziehungen“ finden vereinzelt offizielle Besuche von Delegationen, kulturellen Begegnungen, Schüler- und Jugendaustausch sowie Stipendien und Arbeitsaufenthalte statt.
Von der Zusammenarbeit wird in ganz verschiedenen Bereichen profitiert, wie zum Beispiel bei Rundfunk, Universitäten, Schulen, Kultur und Wirtschaftsbeziehungen.
Nanjing liegt im Osten der Volksrepublik am Beginn des Jangtse-Deltas. Heute ist Nanjing Hauptstadt der Provinz Jiangsu und wirtschaftlich sehr stark entwickelt, vor allem im Bereich der Elektro-, Fahrzeugbau-, Petrochemie-, Eisen/Stahl- und Energieindustrie.
Ogaki
Im Rahmen des seit 1973 vereinbarten deutsch-japanischen Sportjugendaustausches entstand 1982 ein enger Kontakt zwischen der Württembergischen Sportjugend und dem Sportverband von Ogaki. In den folgenden Jahren kamen regelmäßige Begegnungen zwischen den Jugendlichen und Begleitern beider Sportverbände zustande. Diese Begegnungen erstreckten sich bald auch auf andere Bereiche vor allem auf dem Gebiet der schulischen Aktivitäten beider Städte.
Ogaki ist die zweitgrößte Stadt der Präfektur Gifu und liegt im Zentrum der Hauptinsel Honshu, an den Flüssen Ibi und Kuise. Sie nimmt den nordwestlichen Teil der fruchtbaren Nobi-Ebene ein.
Bekannt ist Ogaki als „Stadt des Wassers“ mit besonders reichhaltigem und qualitativ hochwertigem Grundwasservorkommen. Ogaki hat sich zur wichtigsten Industriestadt der Präfektur entwickelt; die wichtigsten Industriezweige der Stadt sind Maschinenbau, Chemie und Textilindustrie. In der Landwirtschaft nimmt der Reisanbau die wichtigste Stelle ein. Daneben werden Gemüse- und Obstanbau und Blumenzucht betrieben.
Shavei Zion
Nach Kontakten ehemaliger Emigranten gab es um 1960 erste Verbindungen zwischen Shavei Zion und der Landeshauptstadt Stuttgart. Sie nahmen festere Formen an nach einem Besuch von Oberbürgermeister Arnulf Klett 1968 sowie einem Gegenbesuch anlässlich der ersten Israel-Woche in einer deutschen Großstadt im folgenden Jahr.
Mit den Rexinger Juden kamen Familien aus ganz Deutschland nach Palästina. Am 13. April 1938 konnte die Siedlung Shavei Zion, zu Deutsch Rückkehr nach Zion, gegründet werden. Schon die Herkunft der Gründergeneration Shavei Zions bewirkte eine ganz besondere Beziehung der Ausgewanderten zu Deutschland und besonders zum Schwabenland. Lange Zeit war in Shavei Zion die Umgangssprache Deutsch, genauer gesagt, Schwäbisch. Freundschaften, die auch in der Nazizeit ihre Tragfähigkeit bewiesen hatten, erleichterten einen Neubeginn der Beziehungen mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Besonders zu erwähnen ist dabei die enge Verbindung des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss zu Shavei Zion. Auch Stuttgart pflegte frühzeitig besondere Beziehungen zu der Gemeinde in Israel.
Fachamts- und Stadtbezirkspartnerschaften
Die Landeshauptstadt Stuttgart unterhält neben den zehn Städtepartnerschaften drei Stadtbezirkspartnerschaften und zwei Fachamtspartnerschaften.
Fachamtspartnerschaft nach Cervia
Durch die 1912 gegründete Gartenstadt Milano Marittima erlebte die touristische Entwicklung der Adriaregion um Cervia einen beträchtlichen Aufschwung. Im Mai mit der Blütenfülle seiner Blumen - beim „Maggio in Fiore“ (Blühender Mai) – präsentiert sich die Stadt im Duft der Blüten und in zahllosen Farben.
Am „Maggio in Fiore“ beteiligt sich seit Jahren auch das Garten-, Friedhofs- und Forstamt der Landeshauptstadt. Die Stuttgarter Teilnahme ist Ausdruck einer seit 1969 bestehenden Städtefreundschaft, die vom damaligen Stuttgarter Oberbürgermeister Arnulf Klett und dem Journalisten Friedrich Treffz-Eichhöfer angeregt worden ist.
Fachamtspartnerschaft nach Straßburg
Seit vielen Jahren besteht zwischen den Partnerstädten Stuttgart und Straßburg auch eine spezielle Fachamtspartnerschaft des Stadtmessungsamtes Stuttgart mit seinem französischen Pendant Service de l'Information Geographique (SIG) Straßburg.
Bereits seit 1987 bestehen auf Initiative der damaligen Amtschefs, Prof. Manfred Hintzsche in Stuttgart und René Koecher in Straßburg, vielfältige Kontakte zwischen den beiden Ämtern und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
1987 besuchte erstmals eine Delegation aus Straßburg – damals noch unter dem Namen Service de l'Arpentage (Feldvermessungsdienst) – das Stuttgarter Amt. Bei den Besuchen geht es zum einen um fachliche Austausch sowie um das kollegiale und persönliche Miteinander.
Stadtbezirkspartnerschaft mit dem XI. Bezirk Budapest
Das ungarische Kulturinstitut in Stuttgart ergriff 1995 die Initiative zur Begründung einer Städtepartnerschaft mit Stuttgart. Da die generelle Beschlusslage des Gemeinderats neue Städtepartnerschaften nicht zulässt, kam vom Bürgermeisteramt die Idee einer Stadtbezirkspartnerschaft. Den XI. Bezirk in Budapest und den Stadtbezirk Bad Cannstatt verbindet eine besondere Eigenschaft: Sie weisen die größten Mineralwasservorkommen Europas auf.
In den Jahren des Bestehens dieser Partnerschaft fand ein reger Austausch auf vielen Gebieten statt. Durch regelmäßige gegenseitige Besuche von Vereinen, Künstlern und Vertretern anderer öffentlicher Einrichtungen sowie der Politik vertieften sich diese Beziehungen immer weiter und es entstanden freundschaftliche Kontakte. Der Austausch wurde mittlerweile auf Schulklassen, Lehrer und Erzieher erweitert.
Stadtbezirkspartnerschaft mit La Ferté-sous-Jouarre
Seit dem 1977 ist der Stadtbezirk Zuffenhausen offiziell mit der französischen Stadt La Ferté-sous-Jouarre in einer Stadtbezirkspartnerschaft verbunden. La Ferté-sous-Jouarre liegt im District Seine-et-Marne, circa 60 Kilometer östlich von Paris.
Seit dieser Zeit finden regelmäßige Besuche und Gegenbesuche statt. Es werden gemeinsame Partnerschaftssportfeste veranstaltet und zwischen den Zuffenhäuser Schulen und den Schulen in La Ferté findet ein reger Austausch statt, aus dem auch schon deutsch-französische Ehen hervorgegangen sind.
Stadtbezirkspartnerschaft mit Melun
Seit 1985 ist der Stadtbezirk Vaihingen offiziell mit dem französischen Melun in einer Stadtbezirkspartnerschaft verbunden. Die 50 Kilometer südöstlich von Paris gelegene Hauptstadt des Departments Seine-et-Marne hat mit ca. 40.000 Einwohnern etwa dieselbe Größe wie Vaihingen, kann jedoch auf eine weit bedeutendere Vergangenheit zurückblicken. So unterhielten bereits die Kapetingerkönige eine Residenz in Melun.
Vorbereitet wurde die Partnerschaft von ehemaligen Kriegsteilnehmer, die, wie andernorts auch, den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag mit Leben erfüllen wollten und 1969 eine Partnerschaft zwischen dem hiesigen Verband der Heimkehrer und dessen französischem Pendant, der „Association Départementale des Combattants Prisonniers de Guerre, Section de Melun“, beschlossen.
Seitdem ist die Zahl gemeinsamer Veranstaltungen, an denen sich Schulen und Vereine rege beteiligen, weiter gestiegen. Durchschnittlich werden etwa zwölf offizielle Besuchsreisen nach Melun bzw. Vaihingen pro Jahr verzeichnet. Dadurch haben sich im Laufe der Zeit auch viele private Kontakte entwickelt. 2010 wurde das 25-jährige Jubiläum der Stadtbezirkspartnerschaft mit Besuchsreisen und Veranstaltungen gefeiert.