Die Zusammenarbeit mit St. Louis gestalten in Stuttgart eine Vielzahl an Vereinen, Organisationen und engagierten Einzelpersonen, die seitens der Stadt von der Abteilung Außenbeziehungen beraten und finanziell unterstützt werden. Der Partnerschaftsverein St. Louis Stuttgart Sister Cities (SLSSC) in St. Louis engagiert sich für einen lebhaften Austausch.
Der Partnerschaftsverein St. Louis Stuttgart Sister Cities (SLSSC)
In St. Louis sind die städtepartnerschaftlichen Beziehungen Teil der Aufgaben des „World Trade Center St. Louis“ (WTC St. Louis). Für die 16 Partnerstädte von St. Louis gibt es jeweils zivilgesellschaftliche Vereine, die für die Pflege, Gestaltung und Unterstützung partnerschaftlicher Kontakte und Verbindungen verantwortlich sind und vom WTC St. Louis betreut werden. Für Stuttgart ist von Beginn an „St. Louis-Stuttgart Sister Cities Inc.“ – SLSSC, ein verlässlicher, origineller und guter Partner sowie Gestalter.
Der SLSSC wird von ehrenamtlichen Mitgliedern betrieben, die oftmals einen persönlichen Bezug zu Deutschland haben und einen Beitrag für Völkerverständigung und Kulturaustausch leisten möchten. Am wichtigsten ist es dem SLSSC, dass die Verbindungen auch zu lebenslangen Freundschaften führen, zum Beispiel dadurch, dass Austauschpartnerinnen und -partner in Gastfamilien untergebracht werden und so auch Einblick in das alltägliche Leben in einem anderen Land und einer anderen Kultur erhalten.
Die Ziele des SLSSC
- Das Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen den Städten St. Louis und Stuttgart zu fördern.
- Menschen aller Altersgruppen zusammenzubringen, die daran interessiert sind, ein Bewusstsein für die deutsche Kultur zu schaffen, Freundschaft und Frieden zu fördern und Möglichkeiten für zivilgesellschaftliches und wirtschaftliches Wachstum in beiden Städten zu kreieren.
- Als Mitglied von Sister Cities International und des WTC St. Louis Handel und Tourismus zu fördern.
- Ganz besonders den Bildungsaustausch auf der Ebene der High-School und der Universität zu unterstützen, ebenso wie Praktika in der Wirtschaft sowie Austausch für Lehrerinnen und Lehrer.
- Die Verbindung in den Bereichen Sport, Kultur und Musik über Aufführungen von Erwachsenen- und Jugendsinfonieorchestern, sportlichen Austausch und Ausstellungen zu intensivieren.
Austausch erleben – Erfahrungen teilen
Susanne Evens (SLSSC) über ihren Weg in die USA
Zwischen Kulturen übersetzen
Während meiner Kindheit in einem kleinen deutschen Dorf drehte sich mein Leben um Reiten und das Kennenlernen anderer Länder und Kulturen. In der Schule war Englischunterricht Teil des Lehrplans. Das führte dazu, dass ich mir alte amerikanische Sendungen mit deutscher Synchronisation im Fernsehen ansah, aber auch AFN (American Forces Network), was meine Englischkenntnisse verbesserte. Britisches Englisch in der Schule zu lernen und amerikanischem Fernsehen zuzuhören weckte mein Interesse an der amerikanischen Kultur. So habe ich erkannt, dass der Schlüssel zum Verständnis anderer Menschen und ihrer Kultur darin liegt, ihre Sprache zu lernen und zu sprechen.
In der Schule hatten wir nicht nur englische Unterhaltungen, sondern mussten auch verschiedene Textarten übersetzen, was mir sehr viel Spaß bereitet hat. Als ich 16 Jahre alt war, gab ich – nur zum Spaß und weil es kostenlos war – eine Anzeige in der Lokalzeitung auf, in der ich Übersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche anbot. Zu meiner eigenen Überraschung erhielt ich einen Anruf eines ortsansässigen Geschäftsmannes, der die Übersetzung eines offiziellen Briefs benötigte. Er kam zu meinen Eltern nach Hause, ich übersetzte ihm den Brief und er war sehr zufrieden mit meiner Arbeit und bezahlte mich sogar dafür! Von diesem Augenblick an war mein Schicksal besiegelt. Übersetzen war für mich genau das, was ich beruflich machen wollte. Ein paar Jahre später kündigte ich meinen Job als Übersetzerin bei Hewlett-Packard Deutschland, verkaufte alles was ich besaß und ging auf eine einjährige Reise durch die USA.
Während dieser Reise verbesserte sich mein Englisch – bisher Schul- und „Fernsehenglisch“ – erheblich, denn ich bekam etwas Unbezahlbares: eine echte Verbindung zu den Menschen, die mit dieser Sprache aufgewachsen sind. Meine Englischkenntnisse vertieften sich. Ich wurde jeden Tag besser, einfach dadurch, dass ich durch viele Teile der USA reiste und neue Dialekte lernte. Denn darum geht es beim Sprachenlernen: Es ist ein konstantes Bemühen, sich zu verbessern und immer mehr zu lernen. Das Eintauchen in Fremdsprachen (ich lernte auch Italienisch, Französisch, Spanisch und Russisch, ein komplett neues Alphabet!) war wohl das aufregendste Abenteuer meines Lebens. Es bedeutet so viel mehr als das reine Kennenlernen eines anderen Zeichensystems, seiner Wörter und Grammatik. Es bedeutet, andere Denkweisen kennenzulernen, denn Sprache formt tatsächlich unseren Geist. Deshalb sah ich das Übersetzen immer als wichtige Aufgabe und wollte dieses Verständnis vereinfachen, indem ich für andere übersetzte.
Bei einer guten Übersetzung geht es darum, Dinge zu hinterfragen. Man übersetzt oder wechselt nicht bloß die Wörter von einer Sprache in die andere, obwohl viele Menschen genau das für die Aufgabe eines Übersetzers halten. Man übersetzt den Kontext und die Kultur. Man muss wissen, wie die Welt der Menschen aussieht, um wirklich zu verstehen, wovon sie sprechen. Es geht auch um den Tenor, um die Kadenz der Sätze. So viele Dinge können falsch gemacht werden, insbesondere bei literarischen Übersetzungen.
1994 gründete ich German Language Communications – später AAA Translation – und bot über 100 Sprachen an. Wir arbeiten nur mit erfahrenen und zertifizierten lokalen Übersetzern zusammen, die die Kultur vor Ort in- und auswendig kennen, denn zwischen Sprachen zu übersetzen bedeutet, zwischen Kulturen zu übersetzen. Andere Sprachen und Kulturen zu erlernen ist ein entscheidender Teil der Geisteswissenschaften. In gewisser Weise sind Geisteswissenschaften vergleichbar mit Übersetzungen: Es geht darum, Gemeinsamkeiten zu suchen und eine Verbindung zwischen den Menschen zu finden.
Als ich nach St. Louis zog, war ich überrascht darüber, wie europäisch die Architektur war und habe mich in die Stadt verliebt. Ich habe viel über die Geschichte von St. Louis gelernt und erfahren, wie sehr Deutsche zum Wachstum der Stadt beigetragen haben, wie viele deutsche Zeitungen bis ins 20. Jahrhundert hinein erhältlich waren und wie viele Unternehmen es noch heute gibt. In den 1880er Jahren beanspruchte jeder vierte Einwohner von St. Louis eine ethnische Zugehörigkeit; etwas mehr als die Hälfte entfiel auf Deutsche. Die Deutschen gründeten ihre eigenen Viertel, Kirchen, Schulen und Unternehmen. Ich fühlte mich wie zu Hause!
Um zu meinen Wurzeln zurückzukehren, engagierte ich mich bei der Organisation St. Louis-Stuttgart Sister Cities. Seit 2006 bin ich dort Vorsitzende. Ich liebe es, Besuchern aus Stuttgart die Region St. Louis zu zeigen und einer nach dem anderen kommt wieder zurück, um sie noch besser zu erkunden, denn sie mögen sie genauso sehr wie ich. Als aktives Vorstandsmitglied der Organisation Missouri Humanities Council habe ich die Möglichkeit, noch mehr über meine Vorfahren zu erfahren und zur Förderung von Missouris reichem kulturellem Erbe beizutragen. Wäre ich in Deutschland geblieben, würde ich dort wahrscheinlich etwas Ähnliches machen und meine Gemeinde dort mit einer anderen irgendwo auf der Welt vernetzen. Es spielt wirklich keine Rolle, dass wir verschiedene Sprachen sprechen; tief im Inneren sind wir alle gleich.
(Susanne Evens, Vorsitzende St. Louis-Stuttgart Sister Cities (SLSSC), in: Missouri Humanities Magazine (Spring/Summer 2019): Celebrating Women: The Centennial of Women’s Suffrage in America; Seiten 46 – 47.)
Jan Elm über seinen Jugendfreiwilligendienst in St. Louis
St. Louis, die Stadt der zwei Gesichter
Nach Waldorfkindergarten und 13 Jahren Waldorfschule war es für mich an der Zeit, die gute liebe Welt der Fünfecke und Wasserfarben hinter mir zu lassen. Mit der Jugendaustauschorganisation IJGD reiste ich für einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst in Stuttgarts Partnerstadt St. Louis, die im Herzen der USA liegt.
An meiner Waldorfschule hatte ich bereits Erfahrung in dem Circus Calibastra gesammelt. Doch nun sollte ich Teil eines der besten Jugendzirkusse der USA werden, ein Jahr in verschiedenen neuen Gastfamilien leben, ein Jahr Familie und Freunde hinter mir lassen, ein Jahr in einem Jugendzirkus lernen, lehren und auftreten.
Überbleibsel der Rassentrennung
St. Louis, die einzige Stadt, an der man den Mississippi auf dem Weg nach Kalifornien in Zeiten des Goldrausches überqueren konnte, war noch vor 100 Jahren eine der reichsten und größten Städte der USA. Es gab sogar Planungen, St. Louis aufgrund seiner zentralen Lage, seiner Funktion als Handelsknotenpunkt und seiner Fortschrittlichkeit zur Hauptstadt der USA zu machen. Hier fanden die EXPO 1904 und sogar die Olympischen Spiele statt. Hier gab es nicht nur den größten Bahnhof weltweit, sondern auch die umsatzstärkste Tabakindustrie, die geräumigsten Lagerhäuser und gigantischsten Schuhfabriken Amerikas. Heute beherbergen die von einem privaten Unternehmen billig erstandenen alten Bahnhofshallen ein Hotel, einen riesigen Parkplatz und ein Einkaufszentrum inklusive Bootsverleih. Nicht zu vergessen das Flying Trapez Center, das unser Circus Harmony im letzten Jahr aufgebaut hat. Wo früher Reisende auf 22 Bahnsteigen auf ihre Züge warteten, schwingen sich heute Artisten durch die Luft der höchsten Bahnhofshalle, vorbei an einem Hard Rock Café und einem künstlichen See, um die Hände des Partners am anderen Ende im richtigen Sekundenbruchteil zu ergreifen. Der Fahrplan des nahegelegenen neuen Hauptbahnhofs mit nur noch zwei Bahnsteigen ist dagegen sehr überschaubar: Fünf Züge fahren täglich nach Chicago und zwei nach Kansas City. Das Tor zum Westen, wie St. Louis auch genannt wird, hat sich stark verändert. Konnte die Stadt der Mississippi-Dampfer im Jahr 1891 noch mit einem der ersten Hochhäuser protzen, ist heute nur noch wenig vom alten Glanz übrig.
St. Louis ist ein Überbleibsel der Rassentrennung. Gehe ich an einem Freitagabend durch die Innenstadt, begegne ich selten einem Menschen mit weißer Hautfarbe. Die meisten weißen Bürger sind seit dem Beginn der Civil-Rights-Bewegung in die Vororte gezogen. Nur noch knapp ein Drittel der ursprünglichen Bevölkerung von 1950 ist zurückgeblieben. Verlassene Häuserblocks, abgebrannte Ruinen und tausende Grünflächen sind das Resultat. Wenn ich mit dem Bus fahre, bin ich häufig der einzige weiße Fahrgast. Wer Geld hat, kauft sich ein Auto. Es klingt unglaublich, aber der öffentliche Nahverkehr in St. Louis ist ohne Übertreibung mangelhafter als in allen Entwicklungsländern, in denen ich bisher unterwegs war. Busse, die nicht kommen oder anhalten, sind alltäglich. Man gewöhnt sich schnell daran und nach einer kurzen Zeit regt man sich auch nicht mehr darüber auf, dass der nächste Bus erst in dreißig Minuten oder in einer Stunde kommt. Für Strecken, die man mit dem Auto in zwanzig Minuten zurücklegt, braucht man nicht selten über zwei Stunden mit dem Bus.
Man möchte wohl denken, dass sich seit der Civil-Rights-Bewegung viel getan hat, dass die Hautfarbe kein großes Thema mehr ist. Nicht so in St. Louis. Was die Diskriminierung angeht, mag sich Vieles verbessert haben seit dem Dred Scott Prozess im Jahr 1857, in dem das Höchste Gericht der Vereinigten Staaten in St. Louis einem befreiten Sklaven seine gesetzlich zustehende Freiheit wieder aberkannte. Doch in einem Vorort von St. Louis passierte im August 2014 etwas, das nachdenklich stimmt: Ein weißer Polizist feuerte sechs Kugeln auf einen unbewaffneten Teenager. Michael Brown verlor dabei sein Leben und die afro-amerikanische Bevölkerung ihre Geduld, auf Gerechtigkeit zu warten. Als der weiße Polizist vor der dominierenden weißen Justiz sich auf Notwehr berief und freigesprochen wurde, brachen heftige Krawalle in den ganzen USA aus, die teils nur durch gepanzerte Fahrzeuge und Soldaten gestoppt werden konnten. Gerade einmal elf Prozent der Polizisten Fergusons sind Afro-Amerikaner. Amnesty International bestätigt dazu noch den Verdacht einer ungerechten Justiz in einem Bericht, in dem es heißt: „Die Wahrscheinlichkeit, dass der Mörder eines weißen Opfers die Todesstrafe bekommt, ist elf Mal höher als die Wahrscheinlichkeit für den Mörder eines schwarzen Opfers.“
Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass Diskriminierung und Rassismus überall existieren, nicht zuletzt auch in Deutschland. Je länger ich in St. Louis lebe, umso mehr wird mir klar, warum kein Aufwand für eine gute Integration der vor dem Krieg geflüchteten Menschen aus Syrien zu hoch ist. Das bestätigt auch die berüchtigte „Delmar Divide“ (Delmar-Trennung). Man kann mit einem Stift eine gerade Linie entlang dem Delmar Boulevard ziehen und hätte die Stadt in überwiegend Arm und Reich, Afro-Amerikaner und Weiße geteilt. Leicht lassen sich über das Internet anhand der Postleitzahlen die sozialen Unterschiede und Einkommenshöhen bestimmen. An diesen Zahlen ist die Kreditwürdigkeit einer Person abzulesen, die hier über Bildung und Zukunftschancen entscheiden kann. Denn ein Studium wird nicht über Steuern finanziert und kostet hier zwischen 100.000 und 300.000 Dollar. Dass St. Louis zu den zwanzig gefährlichsten Städten der Welt gehört, kann ich nicht bestätigen. Das mag aber auch daran liegen, dass meine Gastfamilie nicht in einem nördlichen Stadtteil, sondern neben einer der TopTen-Universitäten der USA in einer Privatstraße mit eigenem Sicherheitsdienst lebt. Es ist demnach möglich, sein Leben in Wohlstand in den Vororten, in denen sich Villa an Villa reiht, zu genießen, ohne auch nur das Geringste von den Schießereien und der Armut der anderen Mitbürger mitzubekommen. Und so mag es auch manchen Bürgerinnen und Bürgern gar nicht aufgefallen sein, dass in ihrer Stadt im vergangenen Jahr 188 Menschen ermordet wurden.
Eine Begegnung berührte mich besonders: Ich leitete ein Aufwärmtraining in einer Grundschule im Norden der Stadt, die wegen Geldmangel demnächst ihre Tore schließt. Dort fragte mich ein dünnes, kleines Mädchen mit ernster Miene: „Isst du jeden Tag?“. Verdutzt bejahte ich. Ich fragte zurück, ob sie denn nicht esse. Mit leiser Stimme, auf den Boden blickend, als würde sie sich schämen, erwiderte sie: „Nicht jeden Tag. Manchmal haben wir nichts zu essen im Kühlschrank!“.
Zirkus und verrückte Leute
Aber es gibt auch ein anderes St. Louis. Ich singe in einem der fortschrittlichsten und weltoffensten katholischen Chöre, den man sich vorstellen kann. Vor dem Gottesdienst gibt es Pizza, hinterher Schokoladenkekse, heiße Schokolade und Limonade am Lagerfeuer. Der Priester scheut sich nicht, offen mit seiner jungen Gemeinde über Suizid und Sex zu sprechen. Auf der Klarinette spiele ich in einer Synagoge Klezmermusik, in der die Rabbinerin in High Heels die Torah liest und jeden willkommen heißt, lerne Studenten von einer der besten Universitäten nach Harvard und Yale kennen, deren Gebäude mehr an eine gotische Burg als an ein Haus des Wissens und der Bildung erinnert. Ich werde in der deutschen Gemeinde begrüßt, die der Pflege der deutschen Kultur mehr Aufmerksamkeit widmet als irgendeine Gemeinde in Deutschland. Ich werde in einer jüdischen Gastfamilie willkommen geheißen. Holocaust-Überlebende bieten mir ihr neues Auto für ein paar Tage an, obwohl ich erst zum zweiten Mal zu Besuch bei ihnen bin. Und ich darf mich glücklich schätzen, in einem der erfolgreichsten sozialen Zirkusprojekte mitzuarbeiten.
Circus Harmony ist von morgens bis abends, an sieben Tagen in der Woche geöffnet. Viele Schüler haben den Wunsch, professionelle Zirkusartisten zu werden. Dafür trainieren manche von ihnen an mindestens sechs Tagen in der Woche. Erstaunlich viele von ihnen schaffen es auch und touren mit dem Cirque du Soleil um die ganze Welt. Aber auch die jüngeren Artisten sind in vielen Staaten der USA, in Kanada und sogar Israel unterwegs. Im Circus Harmony arbeite ich auch mit Schülern der Waldorfschule St. Louis zusammen. Die Schule liegt aufgrund der billigen Immobilienpreise in einem afro-amerikanischen Viertel, deren Einwohner nicht viel mit der Waldorfpädagogik anfangen können, was für Spannungen mit den „verrückten Leuten auf dem Hügel“ führt. In den letzten Jahren ist St. Louis wegen des billigen Wohnraums zu einer lebendigen Stadt der Kunstateliers geworden. Immer mehr Künstler, aber auch kleine Start-Up Unternehmen finden hier ihren Wunschort.
Dank der Förderungen des St. Louis-Stuttgart Sister Cities Komitees konnten seit 1960 etwa 530 Studierende aus den Regionen St. Louis und Stuttgart an Austauschprogrammen teilnehmen. Gleichzeitig wurde mit Unterstützung der Landeshauptstadt Stuttgart und SLSSC rund 2.600 Schülerinnen, Schülern und Jugendlichen eine Teilnahme an einem der Austauschprogramme ermöglicht.
Böny Birk: Mit dem HDMK-Jazz‐Ensemble in St. Louis
Im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen St. Louis und Stuttgart reisten vier jazzende Schwaben vom 19. bis 28. Januar 2005 nach St. Louis, um dort an der Webster University zu präsentieren, welchen Jazz man hierzulande pflegt. Außerdem spielten sie auch beim Winter Ball, einem Galaabend des St. Louis-Stuttgart Sister Cities Inc. zum 45-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft zum Tanz auf.
Yeah! Auf die Anfrage der Stadt Stuttgart bei unserem Dozenten für Bass an der Hochschule für Musik, Mini Schulz, wählte er mich und meine drei Studienkollegen, Steffen Dix (Saxofon), Sebastian Schuster (Bass) und Konrad Nitsch (Schlagzeug) aus, um den Stuttgarter Jazz nach St. Louis zu bringen.
Ein bisschen mulmig war uns dabei auf jeden Fall, denn: Wie würden wir wohl in der Stadt des Jazz, der Geburtsstadt von Miles Davis, ankommen? Spielt da nicht schon jeder Zwölfjährige besser Jazz als wir? Und eine ganz andere Frage war: Was für ein Programm spielt man bei einem Galaabend dieser Art?
Na, wir fragten unsere Lehrer, Amerikareisende, erinnerten uns an ein paar amerikanische Filme... und hatten auf diese Weise überraschend doch ziemlich genau erraten, um was es ging. „Good Luck“.
Den Jetlag hatten wir jedoch unterschätzt. Dieser plagte meine Mitstreiter zum Teil bis zum Rückflug. Und dass St. Louis aufgrund des öffentlichen Rauchverbots und strenger Alkoholkontrollen ziemlich gediegen rüberkommt, im Vergleich zu dem Bild, dass man bei der Assoziation an die Mississippi-Dampfer vor Augen hat. However: Nur anständige, freundliche Leute um uns herum und an dieser Stelle ein großes Kompliment an unsere Gasteltern Bob und Laura Roeder, die unseren Aufenthalt vor Ort hauptsächlich organisiert haben. Kurz vor unserer Ankunft nämlich haben diese sich dazu bereit erklärt, unsere komplette Band bei sich zu beherbergen, was ganz unserem Wunsch entsprach.
Nicht genug, dass sie ihre sehr wohlerzogenen und witzigen Kids versorgen mussten: Sie fuhren uns kreuz und quer durch St. Louis, zu Jazzclubs, Museen, zum Arch, an die Uni und letztendlich zu den angeblich angesagtesten Clubs der Stadt. Nach dem, was wir so gesehen haben, kann aber Stuttgart kulturell doch ganz gut mithalten.
Und was den Jazz angeht, den wir an der Webster University und in Clubs zu Ohren bekamen, waren wir ebenso überrascht. Sehr brav und traditionell alles. Anders als bei den Dozenten sind wir bei den Studenten mit Fusionjazz und Eigenkompositionen sehr gut angekommen.
„Be flexible!“ hieß das Motto der Sister Cities Präsidentin Wilma Prifti, dem wir immer wieder Folge zu leisten hatten. Doch waren wir darauf bereits eingestellt, denn niemand konnte uns genau sagen, welche Musik man bei dem Galaabend im großen Saal des Sheraton-Hotels hören wollte. Richtig lagen wir mit traditionellem Mainstream Jazz und verjazzten deutschen Schlagern. Und außer uns gab es ja auch noch Larry Haller, der mit Midi-Akkordeon und kunterbuntem Allerlei für Unterhaltung sorgte. Ansonsten gab es dort sehr gutes Essen, eine etwas verhaltene Karneval-Parade und natürlich wurden jede Menge Reden geschwungen.
Alles in allem hat sich unser Amerika-Aufenthalt in sehr familiärem Kreis abgespielt, was mir persönlich auch gar nicht unrecht war, da ich auf diese Weise – humorvoll kommentiert von unseren Gasteltern – sehr gut und schnell den „american way of life" kennenlernen durfte. Darüber hinaus sind wir sehr dankbar, wie viel Vertrauen und Einfühlungsvermögen uns entgegengebracht wurde.