Als „leuchtendes Beispiel für gelingende Verständigung“ hat Oberbürgermeister Frank Nopper beim Festakt zum 75-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft mit St. Helens am Donnerstag, 21. September, im großen Kursaal in Bad Cannstatt die Freundschaft der beiden Städte bezeichnet. Ein Ehepaar feiert nach 75 Jahren die Kronjuwelen-Hochzeit. Analog dazu bezeichnete er die Städtepartnerschaft mit St. Helens als ein Edelstein „von Anfang an“.
Wie wertvoll Städtepartnerschaften auch heute noch seien, zeige das über die Jahre gewachsene Vertrauen, die Freude bei den Begegnungen, sowie die gemeinsamen Werte, die beide Städte seit Jahren verbinden. Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen seien Partnerschaften „wichtiger denn je, denn eine gemeinsame Basis scheint in Europa von heute immer weniger selbstverständlich zu sein“, so Nopper.
Die Anfänge der Städtepartnerschaft
Alles andere als selbstverständlich war bereits der Start der Beziehungen, als sich die Bürgermeister Walter Marshall und Arnulf Klett im Jahr 1948 – drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – die Hände reichten. Als Klett den aus einer befreundeten Stuttgarter Unternehmerfamilie stammenden Hans Joachim Schmidtgen bat, auf seiner Reise zu seinem emigrierten Onkel Fred Hirst nach St. Helens den Kontakt zum dortigen Bürgermeister herzustellen, ging es dem Stuttgarter Oberbürgermeister um zweierlei: Er wollte auf diese Weise zur Verständigung nach dem furchtbaren Krieg beitragen. Und er wollte durch Aufnahme von politischen Kontakten auch Handel und kulturellen Austausch anstoßen. Seine kommunalpolitische Initiative sollte darüber hinaus einen europaweiten Friedens- und Verständigungsprozess initiieren.
Während seines Besuchs in Stuttgart 1948 zeigte sich Mayor Walter Marshall von der Zerstörung der Stadt sehr betroffen. Er bot an, für die Reparaturen der Häuser und Kirchen Fensterglas aus St. Helens zu liefern. Die Stadt war damals das Zentrum der europäischen Glasproduktion. Als erster Ausländer ohne Befehls- und Kontrollgewalt erhielt Mayor Walter Marshall am 3. September 1948 das Wort im Stuttgarter Gemeinderat. Der „St. Helens Star“ schrieb seinerzeit: „Walter hat nach dem Zweiten Weltkrieg das Eis mit Deutschland gebrochen“. Im April 1949 besuchte eine Delegation aus Stuttgart St. Helens, und im Oktober 1949 organisierten die Stadtverwaltungen gegenseitige Besuche. Zunächst kam eine Schülergruppe aus St. Helens. Bis heute gehören die Schulpartnerschaften zu den wichtigsten Säulen der gegenseitigen Beziehungen.
Insofern war es schön zu sehen, dass beim Festakt neben der Bürgermeisterin von St. Helens, Lynn Clarke, dem Leader of the St. Helens Borough Council, David Baines, mitsamt einer großen Delegation und zahlreichen Stadträtinnen und Stadträten sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wirtschaft auch Mitglieder des Stuttgarter Jugendrats und dem britischen Pendant, dem Youth Council of St. Helens, vertreten waren. Für die musikalische Begleitung zeichneten Schülerinnen und Schüler des Ferdinand-Porsche- Gymnasiums sowie des Cowely International College aus St. Helen verantwortlich.
Einweihung des St. Helens Platzes
Der Festakt anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft mit St. Helens bildete den Auftakt eines ganzen Reigens an Jubiläumsveranstaltungen. Dazu gehörte die Einweihung des künftig mitten im Neckarpark gelegenen St. Helens Platzes. Auch wenn die Bedeutung des Ortes, dessen Umfeld sich ebenfalls noch im Aufbau befindet, von Bürgermeisterin Isabel Fezer noch betont werden muss. „Das ist ein besonderer und wichtiger Platz“, sagt sie zu den Delegationsteilnehmern. Auch wenn es noch ein wenig der Fantasie bedürfe, um das schon heute zu sehen. Wobei eine Lesart auch die sein kann, dass der Platz, direkt an der Promenade im Quartier gelegen mit schöner Aussicht auf die Grabkapelle, „eine große Zukunft vor sich hat“, wie Fezer erläutert. Darin dürften sich Platz und Partnerschaft ähneln. Nach 75 Jahren sind die Bande zwischen Stuttgart und St. Helens so eng, dass es einem um die Zukunft der gelebten Freundschaft nicht bange sein muss.
Welche Richtung der Neckarpark einschlagen soll, haben die Gäste bei einer anschließenden Führung mit Stadtplanern erfahren. Von dort ging es zur Eröffnung des Cannstatter Wasens, wo David Baines zum Fassanstich mit auf der Bühne stand. Am Abend konnten die Gäste aus der 100 000-Einwohner-Metropole im Nordwesten Englands mitfiebern und mitfeiern beim Heimspiel des VfB Stuttgart.
Eintrag ins Goldene Buch der Stadt
Am darauffolgenden Samstag hat es ein Zusammentreffen der ganz besonderen Art gegeben, als die Delegation aus England, angeführt vom Leader of the St. Helens Borough Council, David Baines, und Mayor Lynn Clarke um 11.30 Uhr den Stuttgarter Fernsehturm erreichten. Dort konnten sie auf einem großformatigen Bild sehen, wie Queen Elisabeth sich am 24. Mai 1965 in das Goldene Buch der Stadt eingetragen hat. An diesem historischen Ort also haben nun Lynn Clarke und David Baines ebenfalls ihre Unterschriften im besondere Gästebuch der Stadt hinterlassen.
Oberbürgermeister Frank Nopper betonte, die Städtepartnerschaft mit St. Helens sei „herzlich und eng, sie wird von den Bürgerinnen und Bürgern getragen. Wir sind den Oberbürgermeistern Walter Marshall und Arnulf Klett dankbar, dass sie damals, vor 75 Jahren, den Grundstein für unsere jahrzehntelange Freundschaft legten“.