Herr Fatke, als am 6. November 2024 klar war, dass es vorgezogene Neuwahlen geben würde – was ging Ihnen da durch den Kopf?
Matthias Fatke: Natürlich habe ich mich schon erst gefragt, wie das zu bewältigen sein wird. Aber ich hatte immer Vertrauen in die Kolleginnen und Kollegen, dass wir das hinbekommen. So wie die Fristen jetzt liegen, mit dem Termin im Februar, wird das herausfordernd, aber machbar.
Wie haben Sie die Diskussion um den Wahltermin wahrgenommen?
Matthias Fatke: Ich war etwas erstaunt. Wer die ganze Logistik kennt, die es bei der Organisation einer Wahl zu beachten gilt, weiß, dass ein Termin im Januar deutlich zu ambitioniert gewesen wäre. Das hat nichts mit politischen Ansichten zu tun, sondern ist schlichtweg den Rahmenbedingungen geschuldet. Früher mag das anders gewesen sein, als die Briefwahl noch eine kleinere Rolle gespielt hat. Bis 2005 musste die Briefwahl ja noch persönlich begründet werden. Die gesetzlich vorgesehenen Fristen vor Wahlen stammen noch aus dieser Zeit. Insofern war ich erleichtert, als sich die politischen Akteure auf den 23. Februar geeinigt hatten.
Wie bereitet das Statistische Amt normalerweise so eine Wahl vor?
Matthias Fatke: Eine Bundestagswahl ist eigentlich gut planbar, da nehmen die Arbeiten vier bis fünf Monate vorher Fahrt auf. Wir stellen Aushilfskräfte ein, die in der Regel zwei bis drei Monate vor der Wahl bei uns einsteigen. Sechs Wochen vor der Wahl geht es dann mit der Briefwahl los.
Diesmal wird die Vorbereitungszeit knapper. Wo sehen Sie die größten organisatorischen Herausforderungen?
Matthias Fatke: Die größte Herausforderung ist die Briefwahl. Wir hatten in Stuttgart zuletzt ein Briefwahlaufkommen von rund 170 000 Wahlscheinanträgen. So viele Briefwahlunterlagen müssen verschickt werden und rechtzeitig wieder zu uns zurückkommen. Inzwischen setzen wir da auch auf Dienstleister, weil das sonst gar nicht zu schaffen ist. Die andere große Herausforderung, die der verkürzte Zeitplan mit sich bringt, hängt mit den vorgeschriebenen Prozessen vor der Produktion der Stimmzettel zusammen. Die Parteien müssen ihre Kandidaten benennen und Unterstützungsunterschriften sammeln, der Kreiswahlausschuss muss beschließen, wer zur Wahl zugelassen wird. Dagegen kann es Einsprüche geben. Erst, wenn alles geklärt ist, gehen die Stimmzettel in Druck. Und erst, wenn wir die Stimmzettel haben, können wir Briefwahlunterlagen verschicken. Das wird frühestens Anfang Februar sein, rund drei Wochen vor der Wahl.
Sie müssen also alles in der halben Zeit wie sonst organisieren?
Matthias Fatke: Ja. Deswegen hoffen wir, dass das Briefwahlaufkommen nicht so hoch ist wie zuletzt. 2021 hatten wir durch die Corona-Pandemie natürlich besonders viele Briefwähler. Aufgrund des kurzen Zeitraums hoffen wir diesmal, dass sich viele entscheiden, am Wahlsonntag im Wahllokal zu wählen oder ihre Stimme vorab im Rathaus abzugeben.
Wie funktioniert die Stimmabgabe im Rathaus?
Matthias Fatke: Da können Sie als Wähler direkt mit Personalausweis und Wahlbenachrichtigung an die Briefwahltheke gehen und erhalten die Unterlagen. Wir haben dort Wahlkabinen, wo Sie Ihre Kreuze setzen können und eine Wahlurne, in die Sie die Wahlbriefe einwerfen können. Sie wählen dann per Brief, aber direkt vor Ort.
Wenn ich Briefwahl beantragt habe und sehe, die Zeit wird knapp – kann ich dann noch ins Wahllokal gehen?
Matthias Fatke: Das ist möglich. Sie können mit den Briefwahlunterlagen in ein Wahllokal gehen und mit dem Wahlschein dort wählen.
Sehen Sie bei der Briefwahl weitere Herausforderungen?
Matthias Fatke: Für Deutsche im Ausland kann es aufgrund der Postlaufzeiten eng werden. Deutsche, die früher in Stuttgart gelebt haben und ins Ausland gezogen sind, dürfen auf Antrag bei uns wählen. Wir bearbeiten solche Anträge umgehend, aber wie lange die Briefe in weit entfernte Länder brauchen, liegt nicht in unserer Hand. Genauso wenig wissen wir, ob sie vor 18 Uhr am Wahltag wieder zurückfinden. Deshalb sind im Ausland lebende Deutsche gut beraten, sich frühzeitig um die Unterlagen zu kümmern.
Welche organisatorischen Schritte für die Wahl haben Sie bereits unternommen?
Matthias Fatke: Die allermeisten. Wir haben Dienstleister beauftragt, Wahllokale angemietet und auch den Personaleinsatz im Detail geplant: Wer ist wofür zuständig?
Vor Wahlen strukturieren Sie das Statistische Amt immer zeitweise um. Auch diesmal?
Matthias Fatke: Ja, diese Projektstruktur können wir schnell umsetzen. Grundsätzlich sind die Themen – Wahlhelferberufung, IT, Briefwahllogistik und so weiter – vor den Wahlen immer die gleichen. Ein paar Sachen mussten wir intern umstellen, da unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter normalerweise im Januar und Februar mit anderen Themen beschäftigt gewesen wären.
Sie stellen vor Wahlen üblicherweise Aushilfskräfte ein. Wie lief das diesmal?
Matthias Fatke: Der Gemeinderat hat im Dezember beschlossen, dass wir bis zu 65 Aushilfskräfte befristet einstellen können. Die Stellen haben wir bereits besetzt.
Wie ging das so schnell?
Matthias Fatke: Wir haben unseren Stamm von bewährten Kräften, die immer wieder aushelfen. Nachdem sich der Wahltermin konkretisiert hat, haben wir sie kontaktiert. Das sind größtenteils Leute, die recht flexibel sind, etwa Studenten oder Rentner. Viele haben zugesagt.
Wie verlief die Suche nach Wahlhelfern?
Matthias Fatke: Sehr gut. Wir haben in Stuttgart das Glück, dass wir ein großes Engagement in der Bürgerschaft haben. Die rund 3500 Wahlhelfer, die wir am Wahltag brauchen, haben wir bereits gefunden. Auch hier sind einige immer wieder dabei, andere haben uns von sich aus direkt angeschrieben.
Wie kommt das? Andernorts haben Kommunen Schwierigkeiten, genügend Helfer zu finden.
Matthias Fatke: Zum einen haben wir hier in Stuttgart inzwischen einen gut bemessenen Entschädigungssatz, zum anderen haben uns viele Wahlhelfer zurückgemeldet, dass sie das aus intrinsischen Motiven machen: weil sie die Gemeinschaft mit den anderen Wahlhelfern schätzen und es als Dienst für die Demokratie verstehen.
Bis zur Wahl sind es noch sechs Wochen. Was steht jetzt an?
Matthias Fatke: Jetzt im Januar beginnt für uns die heiße Phase. Unsere Mitarbeiterschaft hat sich mit den vielen Aushilfskräften verdoppelt bis verdreifacht. Die Einreichungsverfahren der Wahlvorschläge, die Sitzung des Kreiswahlausschusses, die Einteilung der Wahlvorstände, die Vorbereitung für die Logistik der Wahllokale, das steht jetzt an. Bevor dann Anfang Februar der Briefwahlversand losgeht.
Und dann kommt der Wahltag selbst. Wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?
Matthias Fatke: Meist sind bei der Bundestagswahl die ersten Wahlbezirke gegen 18.45 Uhr ausgezählt. Im Laufe des Abends werden die Ergebnisse aktualisiert. 2021 ging unser stadtweites Ergebnis um 23.06 Uhr beim Bundeswahlleiter ein, damit waren wir die schnellste unter den zwölf größten deutschen Städten. Den Titel verteidigen wir gerne, aber grundsätzlich gilt bei der Auszählung: Genauigkeit vor Schnelligkeit.
Das Interview führte Martin Janotta, Amtsblatt-Redaktion.