Abshir Mahamud steht vor einem geöffneten Kühlschrank, in dem sich 16 Flaschen befinden. Er nimmt eine Flasche heraus und erklärt: „Das sind Wasserproben, die ich aus unterschiedlichen Kanälen entnommen habe. Diese Proben kommen zur Analyse ins Labor.“ Mahamud macht derzeit bei der Stadt Stuttgart eine Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik. Er nimmt an dem Ausbildungsprogramm für Geflüchtete „Gemeinsam in die Zukunft“ teil.
Der Somalier lebt seit sieben Jahren in Deutschland. Seit Anfang 2016 ist er in Stuttgart. Nachdem er als Integrationsmaßnahme offizielle Sprachkurse besucht und anschließend seinen Hauptschulabschluss nachgeholt hat, wollte er eine Ausbildung zum Industriemechaniker beginnen. In diesem Beruf hatte er bereits in Somalia gearbeitet. Nach einem Praktikum bei Bosch schrieb er Bewerbungen. Doch auf diese folgten zunächst Standardabsagen, bevor ein Firmenchef ihn anrief.
Dieser erklärte ihm, dass es wegen der Corona-Pandemie keine Ausbildungsplätze als Industriemechaniker gebe und Betriebe in diesem Sektor keine Möglichkeit hätten, neue Mitarbeiter einzustellen. Er gab ihm den Rat, sich umzuorientieren.
Bewerbung mithilfe seiner Sozialarbeiterin
Dieser Anruf war ein Schlüsselmoment für Mahamud: „Ich musste Plan B anfangen und eine andere Richtung einschlagen. Es hat etwas gedauert, diese Entscheidung zu treffen.“ Der heute 29-Jährige wollte im Bereich Natur und Technik arbeiten. Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal recherchierte er, welche Ausbildungen Umweltschutz und Technik verbinden.
Im Internet fand er die Stellenanzeige der Stadt Stuttgart und bewarb sich mithilfe seiner Sozialarbeiterin darauf. Nach Einstellungstests und zwei Tagen Probearbeit im Hauptklärwerk Mühlhausen war klar, dass der Beruf Fachkraft für Abwassertechnik zu ihm passt.
Zunächst absolvierte er acht Monate die Einstiegsqualifikation. Dabei lernte er die Grundlagen des Ausbildungsberufs im Betrieb kennen und erhielt berufsspezifischen Sprachunterricht. Im September 2021 begann die reguläre Ausbildung.
Erfahrungen sammeln in unterschiedlichen Bereichen
Er ist mittlerweile im zweiten Lehrjahr. Dabei wechseln sich Schulunterricht und Arbeit in der Kläranlage blockweise ab. Nach jedem Block Berufsschule lernt er im Betrieb eine weitere Abteilung der Kläranlage kennen, wie etwa die Verbrennung, die Schlosserei oder die mechanische Anlage, wo er derzeit arbeitet. „Dieser Abteilungswechsel gefällt mir sehr gut. Ich sammle Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen“, erzählt der Azubi.
Eine Herausforderung ist die Sprachbarriere: Mahamud muss die Aufgabe und die Sprache verstehen und im Kopf vieles übersetzen. Um diese Doppelbelastung zu stemmen, erhält Mahamud zweimal die Woche Sprachförderung in Form von berufsspezifischem Deutschunterricht. Er erklärt: „Wenn ich die Sprache gut kann, verstehe ich auch alles andere besser. Das ist der Schlüssel.“
Ausbilder Dennis Helsch ist sehr zufrieden mit seinem Schützling. „Er strengt sich sehr an und ist ein zuvorkommender junger Mann.“ Sein technisches Vorwissen habe ihm geholfen. „Er wurde bei der Wartungsarbeit der Verbrennungsanlage angefragt. Bei dieser Spezialaufgabe sind Zuverlässigkeit und technische Kenntnisse gefragt.“