Der Ingenieur Joseph Gordon erstellte seinerzeit einen Generalentwässerungsplan für die Stadt Stuttgart. Seine vorausschauenden Kanalbauideen berücksichtigten auch ein Entlüftungssystem zur Geruchsverbesserung und bedachten die spätere Einführung von Wasserklosetts. Vor der Einführung des stadtweiten Entwässerungssystems mussten unzählige Latrinen manuell geleert und die Hinterlassenschaften abgefahren werden.
Bis in die 1870er-Jahre war das Beseitigen von Fäkalien und flüssigen Abfällen alleinige Aufgabe der Stuttgarter Hausbesitzer. Es kam häufig zu illegalen Entsorgungen in Dolen und Gewässern. Die Zahl der Missstände nahm stetig zu, vor allem wurden die Entleerungszeiten der Latrinen nicht eingehalten, wodurch die Kloaken oft überliefen. Die Bürger kritisierten die veraltete und unzuverlässige Latrinenentleerung, sodass 1872 die städtische Latrinenentleerungsanstalt gegründet wurde. In den folgenden Jahren wurde die Entleerung nicht nur mit Vakuumpumpen modernisiert, es wurden auch Sammelgruben zur Zwischenlagerung außerhalb der Stadt eingerichtet, mit der Eisenbahn ins Umland transportiert und dort als Dünger verkauft.
Erst Anfang 1900 wurden die Schwemmkanalisation mit einem stadtweiten Klärverfahren eingeführt, wodurch sich das Ableiten, Aufbereiten und Entsorgen der menschlichen Hinterlassenschaften maßgeblich verbesserte – der Kanalbetrieb war geboren. Über die Jahrzehnte haben sich die Tätigkeiten maßgeblich geändert, aber die Kernaufgabe ist geblieben. Der Kanalbetrieb sorgt für eine reibungslose Ableitung des Abwassers vom Hausanschluss bis zum Klärwerk.
Fast 400 Menschen arbeiten heute für die Stadtentwässerung Stuttgart, kurz SES, einen Eigenbetrieb der Stadt. Sie kümmern sich unter anderem um die vier Klärwerke und 1700 Kilometer Kanäle, warten und reinigen sie auch. „Das Abwassersystem muss jederzeit funktionieren“, sagt Jürgen Mutz, Leiter des Tiefbauamts, an das die SES angedockt ist.
Das Bild des klassischen Arbeiters, der mit Schaufel und Schubkarren die Kanäle reinigt, ist überholt. Heutzutage wird das Entwässerungssystem mit modernster Technik gewartet, instandgehalten und gesteuert. Kanäle werden vorrangig durch Kanalspülfahrzeuge mit Wasserrückgewinnung gereinigt. Ebenso wird der Zustand der Kanäle inzwischen mit Kamerafahrzeugen überprüft, um Schäden frühzeitig zu erkennen. Etliche Anlagen zur Behandlung von Regenwasser und Pumpwerke werden größtenteils aus der Ferne überwacht und gesteuert.
Während man lange darauf setzte, das Oberflächenwasser, sprich den Regen, mit in die Kanäle aufzunehmen, geht die Stadt in Neubaugebieten heute anders vor. Niederschlag soll möglichst vor Ort versickern, Stichwort Schwammstadt mit Grünflächen und Sickerpflaster. Die Kanäle der SES hingegen müssen weiterhin funktional genug sein, um bei Starkregen binnen kurzer Zeit auch große Wassermengen zu transportieren. „Der Kanalbetrieb ist stets am Puls der Zeit und hat sich immer weiter verbessert. Mit dieser Einstellung ist er optimal für die nächsten 150 Jahre gewappnet“, sagt Amtsleiter Jürgen Mutz.
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- Bild 1: Städtischer Schlauch- und Latrinenwagen um 1880. Foto: Stadtarchiv, Rechte: LHS.JPEG-Datei1,43 MB
- Bild 2: Reinigung des Nesenbachkanals vor 1940. Foto: Stadtarchiv, Rechte: LHS.JPEG-Datei168,76 kB
- Bild 3: Kamerafahrzeug. Foto: Michael Fuchs, Rechte: SES.JPEG-Datei476,04 kB
- Bild 4: Kanalspülfahrzeug auf dem Betriebshof der SES. Foto: Jean-Philippe Müller, Rechte: SES.JPEG-Datei752,60 kB
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