Wohnbauentwicklung

Von diesen Überlegungen ausgehend hat die Verwaltung weitere Szenarien zur Bebauung mit ihren Vor‐ und Nachteilen beschrieben. Ein Szenario geht von einer intensiven Außenentwicklung aus. Auf sechs Flächen mit 130 Hektar läge ein Potenzial von 6.900 weiteren Wohnungen. Diese Gebiete – Viesenhäuser Hof. Langenäcker‐Wiesert, Hausen III, Hoffeld West, Rohrer Weg, Birkacher Feld – liegen vollständig im Außenbereich und waren aus Landschafts‐ und Klimaschutzgründen nicht zur Bebauung vorgesehen. Annahme für die Berechnung ist, dass 65 Prozent der jeweiligen Fläche für Wohnungen genutzt werden, Ausgleich für die Landschaftseingriffe anderweitig gefunden wird und mit Geschosswohnungsbau bis zu 85 Wohnungen pro Hektar entstehen.

Ein weiteres Szenario geht von einer Ergänzung am Siedlungsrand aus und schlägt sieben Flächen vor: Schoßbühl, Schwellenäcker, Westliche Osumstraße, die Friedhofserweiterungsfläche in Plieningen, Trautäcker/Esslinger Weg, Hoffeld‐Binsenwiesen, Steinröhre/Hausen III. Es handelt sich um Arrondierungsflächen an den Ortsrändern. Ihnen gemein ist, dass sie gut mit dem Öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind, sich für den Geschosswohnungsbau eignen und nicht im Natur‐ oder Landschaftsschutzgebiet liegen. Auf den insgesamt 24 Hektar liegt das Potential bei 1.120 weiteren Wohnungen.

Mit dieser detaillierten Darstellung der einzelnen Flächen kann sich der Gemeinderat ein Bild der möglichen Entwicklung machen. Noch im Herbst soll im Ältestenrat besprochen werden, ob und welche weiteren Schritte anhand dieser drei Szenarien für die zukünftige Ausrichtung des Wohnungsbaus in Stuttgart unternommen werden.

Die Studie Potenzialanalyse Wohnen ist im Zeitraum von August 2019 – März 2021 in enger Zusammenarbeit mit dem ausführenden Büro berchtoldkrass space&options entstanden. Das Stadtgebiet wurde hierbei bewusst mit einem offenen Blick gescannt, um auch langfristig denkbare Wohnbaupotenziale in den Fokus zu nehmen.

Aus dem Flächenpool der Potenzialanalyse Wohnen wurden sogenannte Entwicklungsbereiche definiert, in denen sich Potenzialflächen ballen und in denen großräumige Umstrukturierungen zugunsten der Schaffung weiterer Wohneinheiten und der Stabilisierung und Aufwertung des gesamten Quartiers vorgeschlagen werden. Bestehende soziale und technische Infrastrukturen müssen bei der konkreten Planung zur Umsetzung mitbetrachtet und ggfs. ausgebaut werden. Diese Flächen sind für neue Wohnbauentwicklungen besonders vielversprechend, da sie einerseits größere Mengen an neuen Wohneinheiten zulassen und andererseits durch die Neuentwicklungen positive Auswirkungen auf die umliegenden Bereiche und das Quartier als Ganzes ausüben können.

Die Studie fand ihren Abschluss in einem übergreifenden Abschlussbericht. Parallel dazu wurde aus den vielversprechendsten Flächenpotenzialen bzw. Entwicklungsräumen eine Vorschlagsliste aufgestellt, die ausgewählte Flächen umfasst und diese priorisiert. Dabei wurden 15 Gebiete als besonders vielversprechende Entwicklungspotenziale für den Wohnungsbau ermittelt, auf denen zukünftig weitergehende Untersuchungen durchzuführen sind, um die ermittelten Potenziale zu heben. 

Zusätzlich zu den bereits bekannten Instrumenten der Zeitstufenliste Wohnen und des  Nachhaltigen Bauflächenmanagements wurden über die Potenzialanalyse etwa 18.000 zusätzliche Wohneinheiten über das gesamte Stadtgebiet ermittelt.

Bis Ende 1969 fehlten in Stuttgart etwa 17.000 preiswerte Wohnungen. Die Bodenpreise hatten inzwischen eine derartige Höhe erreicht, dass öffentlich geförderter Mietwohnungsbau kaum noch möglich war. Um diesem Anspruch Folge leisten zu können, wurden ab 1969 freiwillige Umlegungen fortan nach dem „Stuttgarter Modell“ durchgeführt, mit dem Ziel, preiswerte Bauplätze zu schaffen.

Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart beschloss, dass die Eigentümer bei freiwilligen Umlegungen zusätzlich zum reduzierten unentgeltlichen Flächenbeitrag einen entgeltlichen Sozialbeitrag in Höhe von 20 Prozent der Einwurfsflächen entrichten müssen. Mit diesen Flächen sind dem sozialen Wohnungsbau zugutegekommen. Die Geldentschädigung für diese Flächen lag damals in der Regel zwischen 80 und 100 DM pro Quadratmeter. Der reduzierte unentgeltliche Flächenabzug setzte sich aus dem tatsächlichen Flächenabzug für örtliche Grün- und Verkehrsflächen zuzüglich der halben Differenz aus dem Flächenbeitrag mit maximal 30 Prozent und dem vorgenannten tatsächlichen Flächenabzug zusammen.

Mit dieser Verfahrensweise, die in der Bundesrepublik viele Nachahmer fand, konnten in den 70er Jahren vor allem die großen Neubaugebiete „Langer Hau“ in Rohr, „Belau/Himmerreich“ in Botnang, „Über der Straße“ in Heumaden, „Pfaffenäcker“ in Weilimdorf und „Neugereut“ verwirklicht werden.

Das „Stuttgarter Modell“ bildet in modifizierter Form heute in Stuttgart die Grundlage für vereinbarte amtliche Umlegungen mit freiwilligem Maßstab.

Mit der Neufassung des Grunderwerbsteuergesetzes im Jahre 1983, welches die freiwillige Umlegung der Grunderwerbsteuer unterwirft, kamen die freiwilligen Umlegungen zum Erliegen.

Mit dem vom 1. Mai 1993 bis 10. Oktober 2006 geltenden Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz (InvErlWoBauG), versuchte der Gesetzgeber mit vielfältigen Erleichterungen zu einer beschleunigten und kostengünstigen Ausweisung von Bauland zu kommen. Nach § 6 InvErlWoBauG konnten nun die privatrechtlichen Neuordnungen der Grundstücksverhältnisse und die Übernahme von Kosten und sonstigen Aufwendungen einschließlich der Bereitstellung erforderlicher Grundstücke vereinbart werden. Diese Bestimmungen wurden in der Neufassung des Baugesetzbuches in § 11 der seit 1998 geltenden Verfassung übernommen.

Die Umlegung nach dem „Erweiterten Stuttgarter Modell“ erfolgt als vereinbarte amtliche Umlegung gemäß den gesetzlichen Möglichkeiten des § 56 Absatz 2 BauGB in Verbindung mit § 11 BauGB. Die Grundvoraussetzung zur Durchführung einer freiwilligen Umlegung ist die Zustimmung aller Beteiligen. Hierzu werden städtebauliche Verträge abgeschlossen, in denen die Bedingungen der Umlegung festgelegt werden.

Die Konditionen beim „Erweiterten Stuttgarter Modell“ lauten derzeit:

Flächenbeitrag
Die Eigentümer leisten einen unentgeltlichen Flächenbeitrag von 30 Prozent ihrer Einwurfsfläche.

Sozialbeitrag
Die Eigentümer leisten zusätzlich einen entgeltlichen „Sozialbeitrag“ in Höhe von 20 Prozent ihrer Einwurfsfläche zu einem Preis, der noch geförderten Mietwohnungsbau ermöglicht. Dieser Sozialbeitrag ist für geförderten Wohnungsbau, das Sonderprogramm „Preiswertes Wohneigentum“ oder für Flächen des Gemeinbedarfs zu verwenden.

Verfahrenskosten
Die Eigentümer übernehmen die Kosten der städtischen Planung und Vermessung sowie - sofern erforderlich - das Honorar des Maßnahmeträgers.

Folgekosten
Die Eigentümer übernehmen einen Teil der Kosten der für das Gebiet notwendigen Sozial-Infrastruktur.

Ausgleichsmaßnahmen
Die Eigentümer übernehmen die Kosten für die externen naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen.

Energiekonzept
Die Eigentümer verpflichten sich, mit ihren Bauvorhaben die aktuell geltende Energieeinsparverordnung zu unterschreiten.

Bauverpflichtung
Die Eigentümer verpflichten sich, ihre Grundstücke innerhalb einer Frist von fünf Jahren zu bebauen.

Erschließung
Die Eigentümer übernehmen die gesamten Kosten der Erschließung des Neubaugebietes zu einhundert Prozent. Die Stadt schließt hierzu einen Erschließungsvertrag mit einem Erschließungsträger gemäß § 11 (1) Nr. 1 BauGB ab. Die Eigentümer verpflichten sich über Kostenvereinbarungen gegenüber dem Erschließungsträger zur Übernahme ihrer anteiligen Kosten.

SIM greift auf privaten Grundstücken immer dann, wenn geplante Vorhaben neues Planrecht mit einer höheren Ausnutzung erfordern und wenn es in Folge des neuen Planrechts zu Wertsteigerungen kommt. Das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) besteht aus drei Säulen. 

Säule I: Geförderter Wohnungsbau,

Säule II: Kostenbeteiligung und Refinanzierung sowie

Säule III: Stadtqualitäten durch Mindeststandards.

SIM soll eine Gleichbehandlung der Planungsbegünstigten gewährleisten und für alle Verfahrensbeteiligten nachvollziehbar und transparent sein. Bei der Kostenbeteiligung durch die Planungsbegünstigte wird auf eine strenge Kausalität der vereinbarten Kosten sowie den Angemessenheitsgrundsatz geachtet. Jeder Vorhabenträger weiß von Beginn des Verfahrens an, welche Konditionen und welche Voraussetzungen auf ihn zukommen. Die dafür notwendigen vertraglichen Vereinbarungen werden deshalb in Form einer Vorvereinbarung und abschließend in einem städtebaulichen Vertrag niedergeschrieben.

Voraussetzung für die Anwendung des SIM ist die Schaffung von mindestens 450 m² Bruttogrundfläche Wohnen durch neues Planrecht, verbunden mit einer daraus resultierenden Bodenwertsteigerung. Nach Abzug aller Lasten soll der Planungsbegünstigten mindestens ein Drittel des Bodenwertzuwachses verbleiben.

• Verwendung von 30 Prozent der neu geschaffenen Bruttogrundfläche Wohnen für den geförderten Wohnungsbau. Mit besonderer Begründung sind Ersatzmaßnahmen im Radius von 1.000 m möglich. In diesem Fall erhöht sich allerdings die Förderquote auf 45 Prozent. Die erste geförderte Wohnung ist ab ca. 5 Wohneinheiten (WE) bzw. 450 m² neu geschaffener Bruttogrundfläche Wohnen zu erstellen. Die erste Sozialmietwohnung wird ab ca. 10 WE bzw. 900 m² neu geschaffener Bruttogrundfläche Wohnen erforderlich. Um dem geförderten Wohnungsbau mehr Gewicht zu verleihen, beträgt der Anteil des geförderten Wohnungsbaus bei städtischen Grundstücken sogar mindestens 50 Prozent.

• Es kommen folgende Förderprogramme in Betracht: Sozialmietwohnungen (SMW), Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher (MME) und das Stuttgarter Eigentumsprogramm (SEP). Für die Aufteilung der Wohnbauförderquote gibt es in Abhängigkeit der Eigentumsverhältnisse drei verschiedene Wahlmöglichkeiten: gelten die Förderbestimmungen von Stadt und Land. Als Bindungsdauer sind für das Programm SMW 30 Jahre, für MME 20 Jahre und für das Eigentumsprogramm SEP 15 Jahre einzuhalten.

• Übernahme der Planungs-, Vermessungs-, Wettbewerbskosten, sowie die Kostenübernahme von erforderlichen Gutachten.
  
  
• Herstellung der Erschließungsanlagen und Ausgleichsmaßnahmen.
  
  
• Unentgeltliche Flächenabtretungen für öffentliche Flächen wie z. B. Verkehrsflächen, öffentliche Grünflächen, Flächen für Anlagen zum Schutz vor Immissionen, Flächen für den naturschutzrechtlichen Ausgleich etc.
  
  
• Bau einer Kindertageseinrichtung im Plangebiet unter Anrechnung einer Last in Höhe der Kita-Pauschale und anteilige Übernahme von Kosten für sonstige soziale Infrastruktur.

• Unterschreitung der geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV), sowie eine Bauverpflichtung.
  
  
• Einhaltung von städtebaulichen und klimapolitischen Anliegen in Form eines Katalogs an Qualitätsstandards. Der Wohnungsbau soll sich durch Konzeptvielfalt auszeichnen, auf eine angemessene Raumbildung und eine qualifizierte Dichte mit attraktiven Wohnumfeldern abzielen sowie energetische und klimawirksame Anforderungen erfüllen.

Der Fokus von SIM liegt neben der Schaffung von gefördertem Wohnraum auf der grundsätzlichen Erhöhung des Wohnanteils in gemischt nutzbaren Baugebieten an allen städtebaulich geeigneten Standorten auf mindestens 20 %. Bei Schaffung neuer Geschossfläche in Form von Mischgebietsarten (MK, MI, MU) ist ein Wohnanteil von mindestens 20 % bei allen Bauvorhaben vertraglich zu sichern. Mit besonderer Begründung und nach Zustimmung der Stadt besteht die Möglichkeit einer Ersatzmaßnahme im Radius von 1.000 m, dann jedoch mit einer erhöhten Wohnquote von 30 %.